Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt über den kuriosesten und spannendsten Fall der Woche.

Er hätte es ahnen können, dass das auf Dauer nicht ohne Komplikationen abläuft. Hier die Ehefrau und nebenbei eine Geliebte - trotz aller durchaus erhebenden Erlebnisse bedeutet eine so ausschweifende Lebensweise zumeist auch Stress. Die Gattin, die besondere Aufmerksamkeit fordert, die Freundin, die bei Laune gehalten werden will. Richard B. mag diesen Balanceakt mit den beiden Frauen eine Weile gut gemeistert haben. Doch am Ende bescherten ihm die Umstände nicht nur einen handfesten Streit mit seiner äußerst unfrohen Ehefrau, sondern über Umwege auch einen höchst offiziellen Denkzettel mit einer deutlichen Geldforderung. Das wiederum hätte er wohl eher nicht ahnen können.

Es ist einfach dumm gelaufen für den 48-Jährigen. Denn letztlich hat ihm die Untreue einen Bußgeldbescheid über 500 Euro und einen Monat Fahrverbot eingebrockt. Nicht etwa, dass sich die Verwaltungsbehörde für sein stürmisches Privatleben interessierte oder ihn deswegen gar maßregeln wollte. Aber letztlich führte das Verhältnis mit der Geliebten bei Richard B. dazu, dass er betrunken Auto fuhr. Und das wiederum interessiert Polizei und Verwaltungsbehörde sehr wohl.

Jetzt sitzt der kräftige Mann vor dem Amtsrichter und wehrt sich gegen die ihm auferlegten Kosten aus dem Ordnungswidrigkeitsbescheid, weil er an einem Abend im September vergangenen Jahres mit 0,5 Promille Auto gefahren sein soll. "Ich habe zu diesem Vorwurf nichts zu sagen", erklärt der Hamburger, dessen rasierter Schädel wie eine polierte Bowlingkugel schimmert, knapp und verschränkt die Arme in Abwehrhaltung vor der Brust. Und seine Frau, als Zeugin in dem Verfahren geladen, hüllt sich gänzlich in Schweigen und macht so von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Doch dafür hat eine Polizeibeamtin als Zeugin umso mehr zu der Verhandlung beizutragen. Sie erinnere sich noch gut an jenen Abend, erzählt die 39-Jährige. Schließlich war der Einsatz eher ungewöhnlich.

Keine Polizeikontrolle, keine Schlangenlinienfahrt hat Richard B. ins Visier der Ordnungshüter gebracht. Sondern seine Ehefrau hat ihm die Unannehmlichkeit eingehandelt. Doch nicht tückisch und voller Schadenfreude, sondern aus echter, ernst gemeinter Fürsorge. Am Anfang des Dilemmas stand allerdings das Verhältnis mit dieser anderen Frau. Seiner Geliebten.

Die Gattin von Richard B. habe an jenem Abend die Polizei alarmiert, weil ihr Mann betrunken in sein Auto gestiegen und weggefahren sei, berichtet die Zeugin. "Die Ehefrau war sehr aufgeregt und erzählte, sie hätten sich wieder einmal gestritten, weil ihr Mann seit Längerem ein Verhältnis mit einer anderen Frau habe." Bei der Auseinandersetzung habe er eine Flasche Wodka getrunken und sei dann mit dem Wagen losgefahren, habe die Frau geschildert. Ein Polizeieinsatz, um den Wagen aufzuspüren, endete jedoch fruchtlos: "Es war definitiv nicht im näheren Umfeld der Wohnung."

Später habe die Frau erneut auf der Wache angerufen und mitgeteilt, dass ihr Mann wieder da sei. Richard B. habe auf Nachfrage der Beamten behauptet, dass er zu Fuß unterwegs gewesen sei, das Auto sei nicht bewegt worden. "Aber es stand jetzt direkt vor dem Haus, Motorhaube und Auspuff waren noch warm." Und der Verdächtige habe zugegeben, dass außer ihm und seiner Frau niemand Zugang zu den Wagenschlüsseln hat.

Das klingt allerdings nach einer überzeugenden Beweislage, jetzt plötzlich auch für Richard B. Er nimmt den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach kurzer Rücksprache mit seinem Anwalt zurück. Damit akzeptiert der Hamburger die 500 Euro Geldbuße und das Fahrverbot. "Dann nehmen Sie mir also die Chance, meine Überzeugung ausführlich in einem Urteil kundzutun", bedauert der Richter, und es bedarf nicht viel Fantasie um zu ahnen, wie er entschieden hätte. Das Einlenken sei "vielleicht auch ganz gut, um die Familienverhältnisse insgesamt wieder in Ordnung zu bringen", überlegt der Richter.

Der Verdacht liegt durchaus nahe, dass da tatsächlich erheblicher Bedarf besteht. Man ahnt es an den schmal aufeinandergepressten Lippen, mit denen Richard B.s Frau den Verhandlungssaal betreten hat. Daran, dass sie ihren Mann während ihres kurzen Auftritts keines Blickes würdigte und den Gerichtssaal dann schleunigst und ohne erkennbares Mitgefühl wieder verließ. Als säße die Geliebte direkt zwischen ihnen.