Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt über den kuriosesten und spannendsten Fall der Woche.

Der Mann war in einem trostlosen Zustand. Kaum fähig zu stehen, auf einen Krückstock gestützt, ohne Job, ohne Wohnung - und ohne große Hoffnung. Vermutlich haben die drei Frauen ihn genau deshalb ausgewählt: ein dankbares Opfer, wenig misstrauisch. Und verzweifelt genug, um nach jedem noch so dürren Strohhalm zu greifen. Sich von ihnen mitschleppen zu lassen, weil sie ihm eine warme Mahlzeit und eine Schlafstelle versprochen hatten an jenem kalten Februar-Tag. Sie haben es sich schön ausgedacht, die drei Frauen, als sie den betagten Mann scheinbar unter ihre Fittiche nahmen und als ihren "Onkel" präsentierten.

Doch Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe waren wohl das Letzte, was Jelena M., ihre Schwester Lubinka und deren Schwägerin Gilda R. antrieb. Sondern vielmehr der Wunsch, sich zu bereichern, skrupellos. Notfalls auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft. Wie jenes Obdachlosen, der ihnen mit einer Unterschrift einen Betrug ermöglichen sollte. Oder eines Arbeitslosen, dem sie mit dem Versprechen auf einen Job als Raumpfleger 500 Euro abluchsten. Ihm, der auf jeden Cent hätte achten müssen, jedoch so verzweifelt war, dass er jede noch so vage Chance ergriff. Denn auch die Geschichte vom angeblichen Job war nichts als Lüge.

Jetzt, im Prozess vor dem Amtsgericht, schwant den drei 35, 33 und 27 Jahre alten Frauen, dass sie zu weit gegangen sind. Dass sie diesmal im Gefängnis landen könnten für ihre Vergehen. Denn Erfahrung mit der Strafjustiz haben zumindest Jelena M. und Lubinka M. reichlich. Die eine hat acht Vorstrafen, die andere sieben. Und so sitzen sie da, mit reuigen Minen und flehenden Blicken, und ringen um Erklärungen für ihre Taten. Damals, als sie laut Anklage den arbeitslosen Mann um sein Geld und seine EC-Karte betrogen. Und schließlich den Obdachlosen vom Hauptbahnhof, dem sie eine Pizza und eine Unterkunft versprachen, wenn er für sie zwei Mobiltelefon-Verträge unterschreibe. Doch der Verkäufer in dem Handyladen wurde misstrauisch und alarmierte die Polizei.

Sie habe den Arbeitslosen betrogen, weil sie Schulden bei zwei Männern hatte und die sie gedrängt hätten, die Tat zu begehen, behauptet Lubinka M. "Und ob Sie es glauben oder nicht", ergänzt die zierliche vierfache Mutter mit treuherzigem Blick in Anspielung auf den Betrug mit dem Obdachlosen: "Den Schlafplatz gab es wirklich." Sie habe einfach das Handy haben wollen, dabei sei ihr klar gewesen, dass sie die Raten für den dazugehörigen Vertrag nicht würde zahlen können. "Und meine Tochter sollte den Laptop zum Geburtstag bekommen." Ihre ältere Schwester habe ihr lediglich helfen wollen, aus ihren Schulden rauszukommen, nimmt Lubinka M. die 35-Jährige in Schutz. "Und bei der zweiten Tat im Handyladen war sie nur zufällig dabei."

Doch der Zeuge ist sich sicher: Jelena M. war es, die als Erste in den Laden kam und sich nach einem 489 Euro teuren Handy erkundigte, das für einen Euro zu haben war - vorausgesetzt, der Kunde unterschreibt einen Vertrag über 24 Monate für 59,95 Euro im Monat. Dann seien die beiden anderen Angeklagten hinzugekommen. "Das macht unser Onkel", hätten die drei Frauen versprochen und seien wenig später mit einem gebrechlichen Mann zurückgekehrt, erzählt der Zeuge. "Er konnte kaum gehen, lehnte auf seinem Stock und war offensichtlich obdachlos. Und er war definitiv nicht der Onkel der Frauen." Doch zum Schein habe er einen Vertrag vorbereitet und heimlich die Polizei alarmiert. Es komme "öfter vor", dass mit den Handyverträgen Betrügereien versucht würden, erklärt er. "Häufig machen sich die Leute auch nicht klar, wie sie den Vertrag zahlen sollen. Sie sind nur scharf auf das Handy." Er sei schon "länger dabei und merke gleich, wenn etwas nicht stimmt. Und wir kriegen etwa einmal wöchentlich Warnungen unseres Anbieters, bei welchen Kunden wir besonders vorsichtig sein sollen."

"Besonders schäbig", nennt der Staatsanwalt die Taten der Frauen. Für Jelena M., achtmal vorbestraft und auf Bewährung, fordert der Ankläger, unter Einbeziehung eines früheren Urteils, eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten. "Sie sind offenbar durch eine Bewährungsstrafe nicht zu beeindrucken. Sie müssen mal sehen, wie das ist im Gefängnis und ohne die Kinder", schärft er der dreifachen Mutter ein. Genauso lautet denn auch das Urteil des Amtsrichters. Gilda R. kommt noch mit einer Geldstrafe von 1800 Euro davon, Lubinka M., die bislang mehrere Geldstrafen erhalten hatte, erhält acht Monate Haft auf Bewährung. Die junge Frau greift sich erleichtert ans Herz. Und bricht dann doch in Tränen aus, als ihr klar wird, was das Urteil für ihre Schwester bedeutet: die Trennung von ihren Kindern.