Bäderland erlaubt den muslimischen Ganzkörper-Badeanzug, der in Berlin schon seit 2009 gestattet ist. Doch der Burkini ist umstritten.

Bramfeld. Eigentlich möchte sie nur abtauchen - beim Frühschwimmen im Hallenbad Bramfeld. Doch Fatima Grimm fällt auf. Weil sie fast keine Haut zeigt. Denn die 76-Jährige, die in München als Helga Wolff geboren wurde und vor 50 Jahren zum Islam konvertierte, zieht in einem "Burkini" ihre Bahnen, sprachlich wie stofflich eine Mischung aus Burka und Bikini.

Den verhüllenden Polyester-Zweiteiler aus langer Hose und blauer Tunika, an den - wie bei den Anzügen der Eisschnellläufer - eine Kopfbedeckung angenäht ist, hat die pensionierte Chefsekretärin für 120 Euro in Berlin gekauft. "Diese Badekleidung entspricht meinem Glauben - und verdeckt wunderbar meine Falten", sagt Fatima Grimm, die 1984 aus Liebe zu ihrem 2009 verstorbenen Mann Abdul, einem Hamburger Moslem, an die Elbe gezogen war. "Ich fühle mich in dem Burkini einfach wohl."

Nicht ganz so wohl fühlen sich bei dem Anblick des Ganzkörper-Badeanzugs offenbar einige andere Schwimmer. Insbesondere von Männern werde sie zuweilen eingehend gemustert und "auch schon mal angegiftet", sagt die weißhaarige Bramfelderin. "Sie haben wohl vergessen, ihren Schlafanzug auszuziehen" sei einer der harmloseren Kommentare. Die Freunde, mit denen sie sich im Hallenbad treffe, seien aufgeschlossener. "Sie sagen: Uns ist egal, wie du aussiehst. Hauptsache, du kommst regelmäßig zum Schwimmen."

So ähnlich argumentiert auch Bäderland, das den Burkini in der Badeordnung erlaubt - sofern er aus einem Stoff gefertigt ist, der sich nicht voll saugt und damit die Hygienevorschriften erfüllt. "Wir möchten, dass auch muslimische Frauen gern bei uns schwimmen", sagt Sprecherin Kirsten Morisse. Doch nur vereinzelt sehe man in den Bädern von St. Pauli oder Wilhelmsburg Burkini-Schwimmerinnen. "Verbreitet ist der Burkini nicht."

Das mag auch daran liegen, dass der Anzug, der 2006 von Designerin Aheda Zanetti, einer in Australien lebenden Libanesin, erfunden wurde, in kaum einem Laden zum Sortiment gehört. Für Deutschland hat sich die Berliner Unternehmerin Nele Abdallah mit ihrer Firma Dressed to Swim exklusiv den Vertrieb gesichert. Seit anderthalb Jahren bietet sie Modelle ab 80 Euro an. Die Schnitte unterscheiden sich - je nachdem, wie sehr eine Kundin die Silhouette ihres Körpers verschleiern will.

"Das Interesse steigt", sagt Nele Abdallah. Doch wie viele Burkinis sie im Jahr an die Frau bringt, will sie nicht verraten. Während der verhüllende Badeanzug in der Türkei sofort ein Verkaufsschlager wurde, ist die Nachfrage hierzulande eher schwach.

Das spiegelt sich in der Erfahrung der Berliner Bäder-Betriebe, die den Burkini 2009 als erster Betrieb in zwei Schwimmbädern erlaubten. Kaum eine Besucherin nahm bisher das Angebot an. Die Testphase wurde verlängert, doch es gebe keinen Anlass, Burkinis in allen Bädern zuzulassen, entschied Berlins Sportsenator Ehrhart Körting (SPD) jüngst.

Zumal die Polyester-Pelle umstritten ist. Während einige Kritiker dahinter vor allem eine Geschäftsidee vermuten, befürchten andere, dass mit dem Burkini die Integration baden geht. Die deutsch-türkische Frauenrechtlerin Necla Kelek bezeichnet ihn als "Ganzkörperkondom", das nicht nur muslimische Frauen, sondern auch deren Männer unvorteilhaft aussehen lasse. Unterstelle der Anzug dem Mann doch, dass er sei nicht Herr seiner Triebe sei.

Auch Dr. Ursula Günther, Islamwissenschaftlerin an der Universität Hamburg, sieht das Thema kritisch. "Wie die Kopftuch-Debatte ist auch die Burkini-Diskussion ambivalent." Einerseits ermutige der Burkini streng muslimische Frauen, sich in einem "gemischt-geschlechtlichen öffentlichen Raum" wie einem Schwimmbad aufzuhalten. "Ich finde es wichtig, dass muslimische Frauen und auch die Kinder schwimmen lernen, um an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen."

Andererseits gebe der Burkini allein einer Minderheit, die nach einer ganz bestimmten Version des Islam lebe, eine Plattform. "Es gibt 100-mal mehr Muslima, die einen ganz normalen Badeanzug tragen. Diese Frauen fallen aber nicht auf, während Einzelfälle für eine Islam-Diskussion sorgen." Und dabei stelle sich unweigerlich die Frage: "Wie weit muss die Mehrheitsgesellschaft dieser Minderheit entgegenkommen? Ich meine, beide Seiten müssen sich aufeinander zubewegen."

Immerhin taugt der Burkini als juristisches Argument. Ein Oberverwaltungsgericht in Münster hatte entschieden, dass eine muslimische Grundschülerin am Schwimmunterricht teilnehmen müsse. Schließlich könne das Mädchen einen Burkini tragen. Ein Urteil, das bundesweit zitiert wird, wenn muslimische Eltern ihre Töchter aus religiösen Gründen vom Sportunterricht befreien lassen wollen.

Auch in Hamburg ist die Teilnahme am Schwimmunterricht verpflichtend. Organisiert wird der Unterricht laut Schulbehörde von den Schulen und Bäderland. "Um Einwände muslimischer Familien zu verhindern, werden Jungen und Mädchen meist getrennt voneinander unterrichtet", sagt Sprecherin Johanna Götze-Weber.

Eine Flut von gesellschaftspolitischen Diskussionen will Fatima Grimm nicht auslösen, wenn sie in ihrem blauen Burkini ins Wasser steigt. "Mir gefällt der Anzug einfach nur."