Zehn Jahre nach dem Tod des Hamburger Erfinders Bernhard Markwitz: Was aus den Bema-Schwimmflügeln wurde. Eine Spurensuche.

Hamburg. Es ist ein sonniger Nachmittag im Sommer 1956, als sich Gisela Markwitz mit einer Bekannten in ihrem Garten in Winterhude trifft. Die Töchter der beiden spielen am Goldfischteich mit Gießkannen. Dann wird es plötzlich ungewöhnlich still. Gisela dreht sich nach ihrer gerade dreijährigen Tochter Annette um und sieht sie mit dem Kopf nach unten im Wasser liegen. Sie stürzt zu dem Mädchen und zieht es gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser. Auch ihr Mann Bernhard, der von einem Fußballspiel zurückkommt, fasst mit an. Der Schock für die Eltern aber wird zum Ausgangspunkt für eine Erfindung, die inzwischen weltweit mehr als 150 Millionen Mal verkauft sein dürfte: der nach Bernhard Markwitz benannte Bema-Schwimmflügel.

Denn Markwitz ließ die Erfahrung mit seiner Tochter nicht ruhen. Der ausgebildete Rettungsschwimmer aus einer Königsberger Hoteliersfamilie war 1936 mit knapp 17 Jahren schon Mitglied der olympischen Schwimmmannschaft, arbeitete für die DLRG und sann nun darüber nach, wie eine Hilfe den Oberkörper von Kindern über Wasser halten kann. Seine Erfindung, die 1964 auf den Markt kommt und deren Name sogar im Duden steht, wird zum internationalen Erfolg. Zehn Jahre nach dem Tod von Markwitz gibt es jedoch in Hamburg kaum mehr Spuren der Firma. Bis auf Bernhards Witwe Gisela, die ganz in der Nähe des ehemaligen Wohnhauses mit dem Teich in einer Seniorenresidenz wohnt.

Die heute 82-Jährige erinnert sich genau, wie ihr Mann zunächst mit den kleinen Schläuchen von Tretrollern experimentierte, die er Kindern um die Arme legte. Sohn Rainer gehört zu den Ersten, mit denen Bernhard das Babyschwimmen in der Stadt einleitet. Sein Ziel: Die Kinder rasch mit dem Wasser vertraut zu machen und das Schwimmen mit einer Hilfe zu erleichtern, die nicht wie um den Körper gelegte Reifen den Oberkörper nach vorne kippen lässt. Markwitz hat Glück. Ein Lottogewinn von 250 000 Mark hilft ihm, die notwendigen Entwicklungskosten aufzubringen. "Im Ohlsdorfer Schwimmbad haben wir im Juni 1964 die Schwimmflügel zum ersten Mal vorgestellt", sagt Gisela Markwitz. Danach nimmt das Leben der Familie des Kaufmanns, der mit Spirituosen und Kosmetik handelt, eine neue Wendung.

"Mein Vater hat für die Produktion und den Vertrieb zwei Unternehmen gegründet und sich die Patente gesichert", sagt Rainer Markwitz, heute geschäftsführender Gesellschafter der Krefelder ImPuls AG, eines Softwareentwicklungs- und Beratungsunternehmens für die Bekleidungsindustrie und den Großhandel. Als Erste versuchte sich die Phoenix AG aus Harburg mit der Produktion der Flügel. Doch Partner von Markwitz wird schließlich die Wehncke-Freizeit aus Hamburg, die Boote, Bälle und Planschbecken aus Gummi und somit ein verwandtes Sortiment anbietet. Dass Wehncke-Chef Heinz Böksen 1966 mit Anne-Lies Holzapfel die Chefin seines Folienlieferanten Friedola aus dem hessischen Meinhard-Frieda heiratet und seine Firma dorthin verlagert, führte schließlich zu einer Verbindung, die für die Schwimmflügel bis heute Bestand hat.

Zunächst jedoch siedeln die neuen Partner ihre Fertigung als eine der Ersten in Asien an. Von 1972 an schweißen Beschäftigte auf Taiwan die Schwimmhilfen zusammen, Ende der 1990er-Jahre lässt Markwitz auch in Thailand fertigen. 1976 versucht der Unternehmer sogar von Florida aus, den US-Markt zu erobern, muss aber einsehen, dass ihm die asiatische Billigkonkurrenz dort das Leben schwer macht. An die Spitze des Geschäfts in Deutschland rückt Sohn Rainer, der 1978 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Hamburg beginnt. "Ich war wohl der einzige Student, der an der Uni einen Parkplatz hatte, weil ich immer schnell wieder ins Büro musste", erinnert sich Markwitz, der mittlerweile 54 Jahre alt ist. Er macht 1985 sein Diplom, als sich sein Vater endgültig aus den USA zurückzieht. "Er hat dann wieder das Europageschäft übernommen, und ich habe mich anders orientiert", sagt Markwitz.

Der Sohn geht zunächst zum Computerspezialisten Nixdorf, steigt 1991 aber bei der ImPuls AG ein und baut die Belegschaft von zwölf auf 50 Mitarbeiter aus. Der Umsatz mit Kunden wie der Hamburger Closed Jeans, Elkline oder auch dem Sockenfabrikanten Falke liegt heute bei mehr als 3,5 Millionen Euro. Als sein Vater stirbt, hilft Rainer seiner Mutter bis Juli 2002 in der Geschäftsführung. Dann verkaufen sie ihre Lizenzen an Friedola.

Den Folienspezialisten führt heute die Enkelin von Anne-Lies Holzapfel, Désirée Derin-Holzapfel, in fünfter Generation. "Für uns sind die Schwimmflügel eine wichtige Säule bei unserem Umsatz von knapp 100 Millionen Euro", sagt sie. Dabei werden von knapp zwei Millionen Stück pro Jahr mehr als die Hälfte bundesweit verkauft. "Mit 5,99 bis 6,99 Euro für ein Set sind die Flügel mehr als doppelt so teuer wie die des nächsten Wettbewerbers", so Derin-Holzapfel. Sie halten jedoch nicht nur einem Gewicht von 80 Kilogramm stand, sondern ihre Träger auch über Wasser, wenn einer der beiden Kammern auf jeder Seite die Luft ausgeht.

Mit Patenten hat Friedola die Flügel weiterentwickelt. Runde Kanten verhindern heute das Scheuern unter den Armen, und die neueste Version aus Neopren wird mit einem Klettverschluss am Arm fixiert. "So kann man langsam Luft herauslassen, ohne dass der Sitz des Flügels leidet", erklärt die Unternehmenschefin. Die Kinder lernen so nach und nach allein zu schwimmen, ohne dass sie gleich auf die für sie gewohnte Hilfe verzichten müssen.

Neue Märkte sieht Derin-Holzapfel nun vor allem in Russland und China. Im Reich der Mitte werden die Schwimmflügel heute auch produziert. "Wir haben einen exklusiven Partner", heißt es dazu von Friedola. Wo die Fabrik genau steht, wird nicht verraten. "Wir wollen uns so davor schützen, von den Chinesen kopiert zu werden", sagt Derin-Holzapfel. Das Interesse daran dürfte groß sein. Denn in der Volksrepublik kann auch heute nur einer von 100 Einwohnern schwimmen.