Der Hamburger Weggefährte von Helmut Schmidt und Ex-Bundesminister beklagt, Politiker wollten keine Vorbilder mehr sein, obwohl wir die so dringend bräuchten

In der U-Bahn: "Sind Sie Hans Apel?" "Ja ..." "Und wie geht es Helmut Schmidt?" Wir reden, bis wir Lübecker Straße aussteigen müssen. Zum Schluss: "Damals wurden wir gut regiert. Die in Berlin können es nicht."

Fehler haben wir damals auch gemacht. Doch bei uns lief keiner weg, weil er sich nach Sylt zurückziehen wollte. Da gab keiner sein Amt auf wie Bundespräsident Köhler, ohne uns zu sagen, warum. Und wir hatten Helmut Schmidt als Bundeskanzler. Im Sommer 1982, kurz vor dem Ende der Koalition mit der FDP, sagte er: "Pflichtgefühl, Berechenbarkeit und Standfestigkeit bestimmen mein politisches Handeln." Dazu Lafontaine: Das sind "Sekundärtugenden", damit könne man auch "ein KZ betreiben".

Doch was sind Primärtugenden dieser Generation von Politikern? Ihnen geht es vor allem um Selbstverwirklichung, eine Art von Egoismus. Gerhard Schröder und sein Vizekanzler Fischer verlassen die Politik. Opposition ist ihnen zu mühsam. Die russische Ölindustrie zahlt schließlich gut.

Vorbilder wollen sie nicht sein. Dabei braucht auch unsere Demokratie Menschen, die wie Leuchtfeuer Wege weisen. Denn Papier ist geduldig. Parteiprogramme zu lesen ist Zeitverschwendung. Auf die Menschen kommt es an. Pflichtgefühl und Standfestigkeit - seine Arbeit tun auch unter schwierigen Bedingungen - sind unverzichtbar. Für uns als Bürger unseres Landes ebenso wie für unsere Politiker.

Das ist derzeit unser größtes Problem: Wird Angela Merkel im Herbst Führungskraft sein wollen und das auch praktizieren? Wo ist der Sozialdemokrat, der sich als Alternative anbietet? Politischer Opportunismus reicht dazu nicht.

Regierung wie Opposition müssen uns zeigen, dass sie politische Meinungen bündeln, sodass wir erkennen können, was sie wollen, wohin die Reise gehen soll.

Das aktuelle Polit-Theater schreckt ab und wird bei den nächsten Wahlen zu weiter rückläufiger Wählerbeteiligung führen. Immer wieder werde ich gefragt, wen ich wählen würde. Für Hamburg weiß ich das, für Berlin nicht.

Ich betrachte jeden Rücktritt eines Politikers mit Gelassenheit. Reisende soll man nicht aufhalten und sie machen Platz für den Nachwuchs, der in den Parteien vorhanden ist und uns hoffen lässt auf Politiker, die anpacken wollen und Verantwortung übernehmen.

Wir sind gut aus der tiefen Wirtschaftskrise herausgekommen. Konjunkturprogramme haben unsere europäischen Nachbarn genauso wie wir aufgelegt. Und dennoch hinken sie deutlich hinterher. Mit der Leistung der Berliner Politiker hat das nur wenig zu tun.

Wir "ernten" die Leistungskraft unserer Unternehmen, ihrer Arbeitnehmer und ihrer Manager. Wir verdanken viel der klugen Politik unserer Gewerkschaften. Es wird Zeit, dass die Berliner Politik und ihre Akteure ihr "Klein-Klein" aufgeben und die vor uns liegenden großen Herausforderungen anpacken und lösen. Ich denke dabei vor allem an die Gesundheitsreform, die Sanierung der Staatsfinanzen und ein zukunftsfähiges Rentensystem. Auch das sind unverzichtbare Bausteine für eine gute Zukunft Deutschlands.

Gelingen kann diese Reformpolitik allerdings nur dann, wenn die Regierung die Wahrheit sagt und die Opposition aufhört, unzutreffende Schreckensbilder zu erfinden.

Die Rente mit 67 kommt eben nicht demnächst, sondern erst im Jahre 2031. So hatte es die SPD in der Großen Koalition mit beschlossen.

Populismus kann Fakten nicht verändern und Lügen haben auch in der Politik kurze Beine.