Der Theaterchef und Entertainer fordert eine starke Kulturbehörde, getragen vom politischen Willen aller, und ein Ende des Hin und Hers vor der Senatsbildung

Still ruht der See, wo man doch eigentlich einen lauten Schrei des Entsetzens der Hamburger Kulturschaffenden über die Planspiele der Senatsbildung erwarten würde. Es ist müßig, über die Gründe für den Rücktritt von Karin von Welck zu spekulieren, aber schon die Bündelung von Kultur, Sport und Medien in einer Behörde war eher Ausdruck von Hilflosigkeit - wohin nur mit dem Sport und den Medien? - denn Zeichen von Konzept für die Sport- und Medienhauptstadt Hamburg . Nun also die Rolle rückwärts und erneut abenteuerliche Planspiele.

Als harmlosere Variante kann noch die Zusammenlegung von Wissenschaft und Kultur in einer Behörde angesehen werden, auch nicht Zeichen der Wertschätzung dieser beiden wichtigen Bereiche, eher wohl eine willkommene Gelegenheit, sich einer ungeliebten Wissenschaftssenatorin geräuschlos zu entledigen. Geradezu abenteuerlich ist der Vorschlag, die Kultur in der Senatskanzlei, der Behörde des Ersten Bürgermeisters, anzusiedeln. Herr Ahlhaus auch noch als oberster Kulturrepräsentant? Da will uns doch irgendeiner verschaukeln. Oder feiern wir jetzt in Hamburg schon im Sommer Karneval, um den Kölnern den Rang abzulaufen?

Das öffentliche Geschachere im Vorfeld der Senatsbildung offenbart vor allem eins: Die Kultur wird politisch in Hamburg immer noch als Spielmasse der Parteien behandelt. Angesichts der Bedeutung der Kultur für die Zukunft unserer Stadt ist das nicht nur fatal, es ist grob fahrlässig. Denn eines liegt doch auf der Hand: Hamburg wird und kann zukünftig die Kulturmetropole des Nordens sein. Mehr noch: Hamburg muss den Anspruch erheben, Kulturmetropole zu sein. Und politisch müssen dafür die Weichen gestellt werden.

Man muss wahrlich kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass in den an Hamburg angrenzenden Bundesländern aufgrund der problematischen Länder- und Gemeindefinanzen das Kulturangebot drastisch reduziert werden wird, allen Beteuerungen der Kommunalpolitiker zum Trotz. Ein attraktives, dauerhaftes Theaterangebot beispielsweise wird es außerhalb Hamburgs absehbar nur noch in Kiel, Schwerin, Rostock, Hannover und Bremen geben. Das Theatersterben beginnt in der Provinz! Umso bedeutender für die norddeutsche Region wird das Hamburger Kulturangebot werden. Die Menschen kommen schon heute scharenweise nach Hamburg, um hier hochwertige Kultur zu erleben, die Staatsoper und insbesondere das Ballett ist ein gutes Beispiel dafür. Und die Menschen können und wollen dank größerer Mobilität kommen. Und - wen wundert's - sie kommen nicht nur, um Kultur zu erleben. Sie kommen Freunde besuchen, sie gehen shoppen und essen, und etliche übernachten sogar. Ganz schlichte, menschliche Regungen.

All das sind im Grunde Binsenweisheiten, durch etliche Untersuchungen längst belegt. Unsere Theater Schmidt und Tivoli mögen eine Hamburger Adresse haben, sie sind in Wahrheit aber keine Hamburger, sondern schon lange norddeutsche Theater. Die Menschen kommen aus der Region zu uns, Hamburg ist für uns kulturell betrachtet eine 15-Millionen-Stadt. Diese Menschen muss man erreichen, zuallererst aber erreichen wollen. Gleiches gilt natürlich für die Musikangebote, die Museen, die Bildende Kunst. Wer sich auf die Hamburger Landesgrenze beschränkt, nur weil unsere Kultureinrichtungen vom Hamburger Steuerzahler finanziert werden, der hat die Glocke nicht gehört. Und vor allem hat er keine Vision.

Visionen zu haben und dann noch in die Tat umzusetzen, das ist, betrachtet man die Hamburger Kulturpolitik der letzten 30 Jahre, ein scheinbar unmögliches Vorhaben. 95 Prozent des Kulturetats sind auf Jahre festgeschrieben, es gibt faktisch kaum einen finanziellen Bewegungsspielraum. Zementierte Alimentierung von Institutionen, die sich Kulturpolitik schimpft. Allenfalls für Investitionen wie die Elbphilharmonie ist noch Geld da. Die wird kommen, koste es, was es wolle. Und eine Unmenge von Betriebsmitteln benötigen, die im vergleichsweise mickrigen Hamburger Kulturhaushalt schlicht und ergreifend nicht vorhanden sind. Eine Vision, die den Kenner der Szene schon erschaudern lässt. Wer da bluten muss, mag ich mir nicht ausmalen.

Bei all diesen Möglichkeiten, bei all diesen Zukunftsaussichten, aber auch bei all diesen Risiken und Problemen kann es nur zwei Möglichkeiten geben. Eine starke Kulturbehörde, getragen vom politischen Willen aller Parteien und einem schlüssigen Konzept für die Zukunft der Hamburger Kultur. Oder verdrängen, Kopf in den Sand und weiter wie bisher. Bis der Topf explodiert. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die regierenden Parteien schnurstracks auf die zweite Möglichkeit zusteuern.