Eine Vision von Thomas Andre

Ein weißes Zimmer mit gläsernen Tischen und leeren Ecken, windschnittigen Stühlen und kühlem Licht; an den Wänden hängen abstrakte Kunst und ein riesiger Bildschirm. Wir schreiben das Jahr 2066. Auf dem Tisch vor dem Fenster steht ein aufgeklapptes Notebook, auf dem Sofa liegt ein schmales Gerät, sein Display zeigt Buchstaben. Musik kommt aus einem kleinen Stick oder dem Laptop. Nirgendwo stehen CD-Türme oder Bücherregale. Kunst und Geist sind komprimiert, das Dingliche ist dem Digitalen gewichen. Das Geistige ist wieder bei sich selbst angekommen. Nur Bilder und Skulpturen, in der Ecke steht ein marmornes Standbild des iPod-Erfinders Steve Jobs, entfalten ihren Reiz als Ding-an-sich. Kant übrigens gibt es nur noch auf dem Rechner zu lesen.

Bücher und CDs oder LPs sind längst Liebhaberobjekte geworden, ihr Inhalt existiert in Bits und Bytes. Man trägt sie überall mit hin, sie sind immer abrufbar. Wir mögen diese Beschleunigung, sie gibt uns noch mehr Freiheit. Kein Warten mehr auf das Eintreffen einer Buchbestellung, und erst recht kein Ausritt in die City, zum Buchhändler. Alles geht per Knopfdruck, das Lesen mithilfe des eReaders ist sehr komfortabel. Aber für "Olfaktoriker" ist das hier nichts. Computer riechen nicht. Es gab mal einen, den Dichter Jean Paul, der hat folgendes gesagt: "Ein einziger Geruch weckt ganze Gruppen von alten Empfindungen wieder auf; wirkt mehr auf die Fantasie als selbst das Auge."

Deshalb hat der Apple-Fanboy unseres Zukunftsbildes "In the Library" (dt.: "In der Bibliothek"), eine ältere Erfindung des Parfümeurs Christopher Brosius, in sein Zimmer gesprüht. Es riecht nach Buch, modrig-ledrig, süßlich, gedankenschwer. Das Parfüm ist der absolute Renner, man kann es im Internet bestellen.