Seit mehr als 100 Tagen sitzt Jörg Kachelmann jetzt in U-Haft. Als er mit dem froh gelaunten oder auch nur trotzigen Ruf "Ich bin unschuldig!" vorläufig weggeschlossen wurde, rutschten wir noch auf scheinbar ewig vereisten Straßen durch unsere Winterstädte. Jetzt, da seine Haftbeschwerde vom Mannheimer Landgericht abgewiesen wurde und Kachelmann im Gefängnis bleibt, lasten tropische Temperaturen auf unseren vor Hitze schmelzenden Asphalt-Chausseen.

Spätestens jetzt müssten wir wissen, dass der aus jeglichem Verkehr gezogene Wetterfrosch die Wechsel zwischen Hoch und Tief, warm und kalt, feucht und trocken nicht machte, sondern nur das salopp vortrug, was wir auch ohne ihn hätten erfahren können. Kachelmann gehört zu jener Gruppe der Boten, die man für die schlechten Nachrichten im TV-Zeitalter zwar nicht mehr totschlägt, dafür aber maßlos überschätzt und mit Popularität überhäuft - wehe, wenn sie straucheln! Seit mehr als 100 Tagen begleitet uns nun das schillernde Auf und Ab von lancierten Berichten, die Kachelmann bald als Opfer einer blind Liebenden und ihrer Rache erscheinen lassen, bald als brutalen Vergewaltiger, der sich notfalls brachialen Eingang in die Gefühle seiner Frau(en) verschaffte. Vielleicht ist beides der Fall. Ein bisschen mehr und ein bisschen weniger. Einerseits, dass es offenbar Frauen gab, die, von seinem Talmi-Ruhm geblendet, jahrelang geduldig auf ihn warteten, ja hofften (frei nach Kreisler: "Achtzehn Jahre warte ich jetzt schon auf deinen Anruf!").

Das Vokabular und die Praktiken der Liebe sehen, aus ihrer Intimität und Routine gerissen, immer lächerlich bis eklig, komisch bis abstoßend aus. Dass er, andererseits, ein etwas grobknochiger und grobschlächtiger Geselle mit priapischer Energie ist, steht fest, ist aber an sich schlimmstenfalls degoutant, eigentlich seine Sache und an sich nicht strafbar. Es verträgt allerdings keine große Glocke. Die Tragödie wird wegen ihrer Wucht laut als ausweglos beklagt. Dabei ließe sie sich leicht vermeiden und ein paar Nummern kleiner abwickeln. Er, der mit seinen Wetter- und Wetterstation-Eskapaden eine erfolgreiche Firma aufgebaut hat, könnte, allerdings ohne Fernsehplatz, still und zurückgezogen, seinen Geschäften und Gelüsten nachgehen. Sie könnten durch einen außergerichtlichen Vergleich und ein Schuldig-Bekenntnis abgesichert und befriedigt werden. Man würde sich auf ein Mindeststrafmaß einigen. Und auf Schmerzensgeld. Dass viele mit einem solchen Schaden fertigwerden müssen, zeigt jeder Scheidungsprozess. Zu einer großen Tragödie taugt die Geschichte dank ihres kläglichen Helden ohnehin nicht. Und für uns bleibt das Wetter ohne Kachelmann immer noch das Wetter. Mit Blitz und Donner, Hitze und Kälte und vielen Niederschlägen.