Regine Günther leitet den Klimabereich der Umweltorganisation WWF.

Hamburger Abendblatt:

1. In dieser Woche treffen sich einige Tausend Delegierte in Bonn, um den nächsten Klimagipfel im Dezember in Cancun (Mexiko) vorzubereiten. Wie beurteilen Sie den Stand der internationalen Klimapolitik ein gutes halbes Jahr nach dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen?

Regine Günther:

Die Verhandlungen sind in schweren Gewässern. Für Kopenhagen wurde viel politisches Momentum aufgebaut, das zu großen Teilen verspielt wurde. Die Enttäuschung ist weiterhin sehr groß. Hier wieder Boden zurückzugewinnen, ist ein steiniger Weg. Gerade bei den vom Klimawandel verwundbarsten Staaten wächst die Verzweiflung zusehends.

2. Gerade lehnte der US-Senat die Energie- und Klimaschutzgesetze ab, die Präsident Barack Obama auf den Weg bringen wollte. Wie schädlich ist dies für den Uno-Prozess?

Es ist eine weitere schwere Belastung. Präsident Obama muss noch vor Cancun klarmachen, dass die USA die in Kopenhagen zugesagten Emissionsreduktionen erfüllen wird. Dies ist möglich, wenn die amerikanische Umweltbehörde sehr entschieden ihre Möglichkeiten ausschöpft. Trotzdem führt mittelfristig an einem US-Klimaschutzgesetz kein Weg vorbei. Von Obama ist hier mehr Führung gefordert.

3. Was können Vorkonferenzen auf Fachebene, wie sie jetzt in Bonn stattfinden, erreichen?

Die Fachleute können hier die oft schwierigen technischen Details aushandeln - was auch wichtig ist - und versuchen, Vertrauen wieder aufzubauen. Wenn die Politik dann aber nicht mitspielt, hilft dies letztlich nicht viel.

4. Für den WWF beobachten Sie seit vielen Jahren den Uno-Klimaprozess. Welche Erwartungen knüpfen Sie an den Cancun-Gipfel?

Er ist ein Zwischenschritt auf dem Weg nach Südafrika 2011. Dort soll ein umfassendes Abkommen angestrebt werden. An Cancun werden bei Weitem nicht die Erwartungen geknüpft wie zuvor an Kopenhagen. In Bereichen wie Entwaldung, Anpassung an den Klimawandel und Finanzierungshilfen von Nord nach Süd werden hoffentlich Vereinbarungen getroffen werden.

5. Bislang liegen die zugesagten Treibhausgas-Reduktionen weit unterhalb dessen, was Klimaforscher für nötig halten. Gibt es eine Alternative zu einem Uno-Abkommen?

Die Kopenhagen-Vereinbarung muss weiterentwickelt werden. Zudem müssen dringend bi- und multilaterale Beziehungen zwischen verschiedenen klimarelevanten Staaten aufgebaut und erweitert werden, um parallel zu den Uno-Verhandlungen partnerschaftliche Allianzen zu stärken. Auch hier haben China und die USA eine besondere Rolle, ohne deren Emissionsreduktion ist der Klimawandel nicht aufhaltbar. Drittens müssen die Industrieländer eine Vorreiterfunktion übernehmen.