Der Mythos um den Schädel von Hamburgs berühmtesten Piraten ist bis heute lebendig

Entsetzt ließ der Arbeiter den Spaten fallen und schrie laut auf. Unten im Schlamm lag ein grausiger Fund: ein Schädel. Die Arbeiter, die 1878 beim Bau der Speicherstadt gleich mehrere solcher Totenköpfe entdeckt hatten, gingen anfangs davon aus, auf die Spuren eines Verbrechens gestoßen zu sein, wurden aber bald eines Besseren belehrt. Besonderheiten der Schädel und nicht zuletzt der Ort deuteten darauf hin, dass es sich in Wahrheit um einen historischen Fund handelte.

20. April 1401: Am Grasbrook, dem Hinrichtungsplatz der Hansestadt, stehen 30 Piraten und warten auf die Vollstreckung des Todesurteils. Meister Rosenfeld, Hamburgs gefürchteter Scharfrichter, fährt noch einmal mit dem kleinen Finger prüfend über den glänzenden Stahl des Richtschwerts und will schon zur Tat schreiten, als Bürgermeister Kersten Miles ihn noch einmal zurückhält. Klaus Störtebeker, der Anführer der Vitalienbrüder, wie sich die Piraten nennen, hat den Bürgermeister noch auf ein Wort gebeten. Er wolle als Erster enthauptet werden und bitte darum, dass alle Kameraden, an denen er anschließend noch vorbeizugehen vermöge, verschont würden.

Miles ist belustigt, gewährt Störtebeker aber die Gnade. Im nächsten Moment schlägt Rosenfeld Störtebeker den Kopf ab. Doch dann - die Menge der Gaffer schreit auf - läuft der kopflose Störtebeker an der Reihe seiner Kameraden vorbei. Elf hat er schon passiert, als der Henker ihm den Richtklotz vor die Beine wirft, sodass er zu Boden stürzt. Doch der Bürgermeister bricht sein Wort, alle Vitalienbrüder werden hingerichtet.

Diese Legende wird gern erzählt, auch wenn sie wenig mit der historischen Wahrheit zu tun hat. Und ob es sich bei einem jener Schädel, die die Hafenarbeiter am Grasbrook gefunden haben, tatsächlich um das Haupt des berühmten Störtebeker handelt, der heute als Statue in der HafenCity steht (siehe u.), ist ebenfalls zweifelhaft. Als sicher gilt nur, dass es die Köpfe von Hingerichteten waren, da sie auf dem einstigen Richtplatz lagen.

Wissenschaftler des Museums für Hamburgische Geschichte gehen davon aus, dass einer der gefundenen Schädel einem Anführer gehört hat. Aber selbst namhafte kanadische Forensiker konnten mittels Gentechnik nicht nachweisen, dass es Störtebeker gewesen ist. Aber der Mythos des Piraten ist so lebendig, dass der vermeintliche Störtebeker-Schädel sogar einem Diebstahl zum Opfer fiel: Im Januar 2010 entwendeten Kriminelle die berühmte Hamburg-Reliquie aus der Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte. Jetzt bleibt der Pirat ebenso verschollen wie sein legendenumwobener Goldschatz.