Der Direktor am Institut für Recht und Ökonomik an der Universität Hamburg sieht in bundesweiten Volksentscheiden ein Mittel für eine effizientere Politik

Vor gut einer Woche waren die Wähler in Hamburg aufgerufen, für oder gegen die sechsjährige Primarschule zu votieren. Die Bürgerschaft hatte sich einstimmig für eine sechsjährige Grundschule ausgesprochen, das Ergebnis des Volksentscheids korrigiert alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien. Dies könnte eine Diskussion über die Einführung direktdemokratischer Elemente auf Bundesebene auslösen. Grund genug, nach den Konsequenzen direktdemokratischer Institutionen zu fragen. Führen sie zu einer geringeren Staatsverschuldung? Oder bewirken sie, dass Bürger sich mehr für ihr Gemeinwesen interessieren, weil sie über einige Fragen direkt entscheiden können? Gemeinsam mit Kollegen habe ich eine ländervergleichende Studie durchgeführt. Auf der Basis von bis zu 88 Ländern zeigen sich auch unerwartete Effekte. Eine höhere Zahl von Initiativen führt dazu, dass mehr Bürger ganz direkt mit politischen Fragen konfrontiert werden. Dies könnte das Interesse der Bürger an Politik erhöhen.

Aber wie sieht es aus mit den Wirkungen direkter Demokratie auf die Wahlbeteiligung und das Vertrauen in Politiker und Parteien? Zunächst: Es gibt keinen systematischen Zusammenhang zwischen direkter Demokratie und Wahlbeteiligung. Viele Initiativen führen zwar dazu, dass mehr über Politik diskutiert wird. Aber Bürger gehen deshalb noch lange nicht häufiger zur Wahl. Unerwartet ist auch der Zusammenhang zwischen einer Form der direkten Demokratie und dem Vertrauen in Regierung, Parteien und Parlament: Die Möglichkeit von Initiativen geht mit geringerem Vertrauen einher! Eine denkbare Erklärung für diesen überraschenden Befund könnte sein, dass die Existenz von Initiativen den Politikern die Möglichkeit entzieht, sich als vertrauenswürdig zu präsentieren.

Aber direktdemokratische Institutionen haben nicht nur Wirkungen auf den politischen Prozess, sondern beeinflussen auch politische Ergebnisse. Die in der Bürgerschaft vertretenen Parteien dürften nach der Niederlage künftig vermutlich versuchen, die Präferenzen der Bürger besser zu antizipieren.

Damit hätte der Volksentscheid Konsequenzen, die weit über die Primarschule hinausreichen. Direktdemokratische Institutionen tragen also dazu bei, dass die Wählerpräferenzen wichtiger werden - und die der Politiker etwas unwichtiger. Dies ist das zentrale Argument für direkte Demokratie. Insbesondere in Koalitionsregierungen kommt es häufig zu politischen Paketlösungen der Art: Wenn du für meine Elbvertiefung stimmst, dann stimme ich für deine Primarschule. Durch direkte Demokratie können solche Pakete aufgeschnürt werden. Das kann dazu führen, dass Politik den Präferenzen der Bürger besser entspricht als unter einer ausschließlich repräsentativen Regierungsform. Die Möglichkeit, solche Pakete aufzuschnüren ist also ein weiteres Argument für direkte Demokratie.

Wir haben ebenfalls gefragt, ob direkte Demokratie auch zu veränderten politischen Ergebnissen führt, etwa zu höheren oder geringeren Staatsausgaben. Auch hier gibt es überraschende Ergebnisse: Staaten, in denen bestimmte Entscheidungen einem Referendum unterworfen werden müssen ("obligatorische Referenden") verzeichnen auch deutlich geringere Staatsausgaben. Wenn Politiker "zu viel" Geld ausgeben wollen, sie ihre Politik aber von den Bürgern überprüfen lassen müssen, dann können die Bürger die Ausgabenneigung der Politiker beschränken.

Dabei hat die Existenz von Initiativen den gegenteiligen Effekt: Wenn Bürger von sich aus bestimmte Fragen auf die Agenda setzen können, dann geht das regelmäßig mit höheren Staatsausgaben einher. Bei Diskussionen um direkte Demokratie sollte also darauf geachtet werden, ob man über Referenden oder Initiativen redet. Obligatorische Referenden sind zudem verbunden mit einer besseren Steuermoral. Wenn Bürger den Eindruck haben, über Sachfragen entscheiden zu können, sind sie offenbar eher bereit, dem Staat die Mittel dafür zu geben. Staaten, in denen direktdemokratische Institutionen oft genutzt werden, haben tendenziell auch Regierungen, die als effektiver eingeschätzt werden.

Was heißt das für die Nutzung direktdemokratischer Institutionen in Deutschland? Zunächst zeigt sich, dass sie kein Allheilmittel sind. Sie allein werden die Politik- und Parteienverdrossenheit nicht reduzieren. Aber es zeigt sich auch, dass ihre Nutzung das Interesse an Politik erhöhen kann. Der Hamburger Volksentscheid könnte auch ein Anlass sein, über die Einführung direktdemokratischer Elemente auch auf Bundesebene nachzudenken.