Carsten Willms ist verkehrspolitischer Sprecher des ADAC Hansa.

Hamburger Abendblatt:

1. Herr Willms, überrascht es Sie, dass nach dem Zehn-Millionen-Euro-Sofortprogramm des Senats bislang nur ein kleiner Teil der defekten Straßen in Hamburg saniert wurde, das zur Verfügung gestellte Geld aber schon aufgebraucht ist?

Carsten Willms:

Nein, das haben wir erwartet. Die Bezirksämter sollen die Sanierungen umsetzen ohne das dafür erforderliche Personal oder Geld - und das schon seit Jahren.

2. Was ist das Grundproblem?

Zurzeit füllen wir die Schlaglöcher mit Kaugummis, wo wir Plomben hätten nehmen müssen. Wir machen keine echte Instandhaltung, sondern Schönheitskosmetik, und das seit Jahren. Das ist aber kein Problem der Tiefbauämter in den Bezirken, sondern ein politisches Problem. Die Politik muss genügend Personal und ausreichend Geld zur Verfügung stellen.

3. Die SPD fordert die Einführung eines "Erhaltungsmanagements", um einen Überblick über die Schäden zu bekommen und einen Instandsetzungsplan erarbeiten zu können. Was halten Sie davon?

Das ist eine richtige Forderung, die auch der ADAC schon seit zehn Jahren aufstellt. Nur so ist eine langfristige Baustellenkoordination möglich. Zurzeit arbeiten in der Koordinierungsstelle der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt nur drei Mitarbeiter. Sie sind für 4000 Straßenkilometer zuständig. Doppelt so viele sind das Minimum, um einigermaßen sinnvoll arbeiten zu können. Acht bräuchte man, um den Job vernünftig erledigen zu können. Baustellenplanung bedeutet neben der Kostenplanung auch eine CO2-Minderung.

4. Was muss die Stadt tun, um an der Situation etwas zu ändern?

An der Grundsituation ist kurzfristig leider gar nichts zu ändern. Seit 1982 ist der Bereich Straßenunterhalt unterfinanziert. Das betrifft Straßen genauso wie Fuß- und Radwege. Die Stadt muss zum einen in vernünftiges Equipment investieren, zum anderen einen Sanierungsplan erstellen und diesen konsequent abarbeiten. Das geht aber nur, wenn langfristig die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen - über eine Legislaturperiode hinaus.

5. Sie fordern also einen Paradigmenwechsel?

Ja. Es ist zwar einfacher und für das politische Prestige besser, in den Neubau einer Straße zu investieren, als sich jahrelang um den Unterhalt der Straßen zu kümmern. Dennoch ist es notwendig. Wir fordern schon lange, etwa 80 Millionen Euro pro Jahr in den Unterhalt zu stecken. Dafür müsste man vielleicht auch große Investitionen wie die Stadtbahn nach hinten verschieben. Investiert die Stadt nicht in erforderlichen Ausmaß in den Unterhalt der Straßen, werden wir wohl flächendeckend Geschwindigkeitsbegrenzungen von 20 Kilometern pro Stunde haben. Zudem wird die Unfallrate extrem steigen.