Werner Marnette, 64, Ex-Affinerie-Chef und bis 2009 Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein.

Hamburger Abendblatt:

1. Lüneburg will auf Kosten des Umlands wachsen: ein Vorbild für Hamburg?

Werner Marnette:

Größe ist nicht alles. Doch der Zusammenschluss von Städten und Gemeinden bietet erhebliche Potenziale zum Kosten- und Bürokratieabbau und zur Förderung kultureller und wirtschaftlicher Stärke der Region. Wichtig ist, dass eine Win-win-Situation für Bürger und Wirtschaft entsteht.

2. Sind zu enge Verwaltungsgrenzen in einer Metropolregion ein Hemmnis für die Wirtschaft?

Die Stärke einer Metropolregion liegt darin, dass Unternehmen, Organisationen, Hochschulen eng zusammenarbeiten. Die Verwaltung hat sich als Dienstleister den Strukturen anzupassen. Historische und lähmende Verwaltungsgrenzen müssen überwunden werden.

3. Könnte das Beispiel Lüneburg der erste Schritt zu einem Nordstaat sein?

Die Erkenntnis, dass wir in Deutschland zu kleinteilig organisiert sind und dringend die Zahl der Bundesländer reduzieren müssen, ist längst bekannt. Allein die Tatsache, dass sich in Norddeutschland in einem Kreis mit 150-Kilometer-Radius fünf Landeshauptstädte befinden, spricht Bände. Dies treibt die Kosten und geht alles zulasten unserer Wettbewerbsfähigkeit sowie Zukunftsfähigkeit. Bislang fehlten der wirtschaftliche und finanzielle Druck, hieran etwas zu ändern. Dies dürfte bald vorbei sein.

4. Wäre ein Nordstaat für die Menschen in Hamburg und im Umland gleich sinnvoll?

Die meisten Bürger, Kirchen, viele Betriebe, Banken, die Gesundheitswirtschaft und sogar einige Verbände leben längst den Nordstaat. Andererseits sehen wir unsinnigem Wettbewerb und Fehlentwicklungen bei Bildung, Umwelt- und Klimaschutz, Elbvertiefung, Energieversorgung und Firmenansiedlung. Dies muss abgeschafft werden. Die Berechtigung bzw. die Notwendigkeit für einen Nordstaat ist längst erwiesen.

5. Wird ein Nordstaat immer an Hamburger (bzw. Umland-)Interessen scheitern?

Die Bereitschaft der Bürger vor allem in Hamburg und Schleswig-Holstein ist durchaus gegeben. Der Trend wird zunehmen, weil beide Länder für sich alleine finanziell bald nicht mehr handlungsfähig sein werden und ein dramatischer Sanierungsdruck besteht. Die Halbherzigkeit der Politik und nachrangiger Verwaltungsorganisationen ist allerdings noch das größte Hemmnis.