Zwei Hamburgerinnen beliefern Restaurants mit Spielzeugkisten. 300 Kunden konnten sie europaweit schon mit ihren Produkten begeistern.

Hamburg. Verzweifelt rudert der Kellner mit den Armen, versucht sein Gleichgewicht zu halten. Vergeblich - mit einem gewaltigen Poltern geht er zu Boden, mit ihm sein volles Tablett. Ein kleiner Junge ist mit ihm kollidiert, weil er lieber Fangen spielte, als auf sein Essen zu warten. Totenstille. Die Restaurantgäste starren das Kind an. Auf dem Gesicht seiner Mutter breiten sich hektische Flecken aus.

Kinder und Gastronomie, das verträgt sich nicht immer. Diese Restaurantszene stammt zwar aus dem Kinohit "Keinohrhasen" , viele ihrer Elemente sind aber der Realität entliehen. Dies mussten auch Melitta Ciunis und Anett Yiu, beide Mütter von Minderjährigen, hin und wieder am eigenen Leib erfahren. "Ich hatte für meinen Sohn deshalb immer Malsachen oder einen Gameboy dabei", erzählt Ciunis. Denn die Spielecken, die viele Lokale anbieten, seien oft schmutzig oder nur mit kaputtem Spielzeug ausgestattet. "Da werden die Kinder einfach wegrationalisiert - viel besser aber wäre es, die Kleinen als Gäste wirklich zu thematisieren."

Mit dieser Erkenntnis machten die beiden langjährigen Freundinnen aus der elterlichen Not ein Geschäftsmodell, gründeten vor knapp zwei Jahren ein Unternehmen, das sie Kids Stuff (Kinderkram) nannten. Sie entwarfen Kisten, die sie für 150 Euro an gastronomische Betriebe verkaufen. Der Inhalt: 80 kleine Beutel mit Spielzeug für verschiedene Altersklassen. Also Metallpuzzles, Geduldspiele oder Holzbaukästen für die Sieben- bis Neunjährigen. Fingerpuppen, zusammensteckbare Dinosaurier und Malsachen für die Kleineren. Für Mädchen ein Kaleidoskop, das sich auch als Kette tragen lässt, und Puppenschablonen zum Anziehen. "Wir haben pro Altersgruppe etwa acht verschiedene Spielsachen, 60 insgesamt", sagt Anett Yiu. "Alter und Geschlecht sind auf den Beuteln vermerkt, sodass auch ein Kellner ohne Erfahrung mit Kindern den passenden Spielzeugbeutel anbieten kann."

Das System ist durchdacht - und deutschlandweit einmalig. Vor der Markteinführung der Spielzeugbox haben Yiu und Ciunis monatelang darüber gegrübelt, wie sie ihr Produkt am besten konzipieren. Keines der Spielzeuge sollte Lärm machen oder zu viel Verpackungsmüll hinterlassen. Es sollten auch keine Kleinteile enthalten sein, die ein Kleinkind verschlucken oder auf denen ein Kellner ausrutschen könnte. Jedes Spielzeug muss allein funktionieren, damit Einzelkinder nicht im Nachteil sind.

Um sicherzugehen, dass Materialien und Produktionsbedingungen ihren Ansprüchen entsprechen, reisten Ciunis und Yiu sogar selbst nach Asien zu ihren Lieferanten. So manches stinkende Gummispielzeug flog danach aus der Kiste, auch Origami zum Schneiden bekam keinen Stammplatz - das Hantieren mit einer Schere ist zu gefährlich am engen Esstisch. "Wir entwickeln unsere Produkte ständig weiter, verbessern sie und denken uns neue aus", sagt Melitta Ciunis.

Die erste Testfläche für die frühere Zahnärztin (Yiu) und die ehemalige Sozialpädagogin (Ciunis) war das East-Hotel an der Simon-von-Utrecht-Straße . Einleuchtend, gehört die Designherberge doch anteilig Melitta Ciunis' Ehemann. Aber auch andere Hamburger Gastronomien wie der Old Commercial Room, das Fischereihafen-Restaurant oder das Einstein in Eppendorf setzen mittlerweile auf die Spielzeugkisten für ihre jungen Gäste. Insgesamt hat Kids Stuff knapp 300 Kunden in Deutschland, der Schweiz, auf Mallorca und Zypern. Und die Ambitionen der beiden Unternehmerinnen sind groß: "Unser Geschäftsmodell ist beliebig auf andere Branchen erweiterbar", sagt Anett Yiu. "Unser Spielzeug kann überall zum Einsatz kommen, wo es mal länger dauern kann und Kinderhände beschäftigt werden müssen."

Also beim Optiker, Friseur, Zahnarzt, Juwelier, in Modeboutiquen oder Buchhandlungen. Mit Autovermietungen und Fluggesellschaften sind die Kistenmacherinnen bereits im Gespräch. Auch das Ausland haben sie längst im Visier. Dafür soll Ciunis' 17-jähriger Sohn die Anleitungen ins Englische übersetzen. Nach einem Schuljahr in Kanada dürfte das ein Kinderspiel für ihn sein.