Morgen wird Afghanistans Hauptstadt Kabul Schauplatz eines einzigartigen Ereignisses. Eine internationale Konferenz über die Zukunft des Landes wird mehr als 70 Länder, Finanzinstitutionen und internationale sowie regionale Organisationen zusammenbringen, um einen Plan für Entwicklung, Regierungsführung und Stabilität zu unterstützen. Bei dem Treffen wird ein klarer Weg erarbeitet für den Übergang zu afghanischer Verantwortung und Teilhabe. Kurz: Es wird ein Meilenstein sein in dem Prozess, durch den die Afghanen endlich Herr im eigenen Haus werden.

Dieser politische Impuls kommt nicht durch Zufall. Er ist das Ergebnis nachhaltiger Anstrengung sowohl der Afghanen als auch der internationalen Gemeinschaft, diesem Land neues Leben einzuhauchen. Die Tragödie des 11. September war ein Weckruf für uns alle. Gleichgültigkeit war keine Option mehr. Engagement war unsere einzige Möglichkeit. Afghanistan sich selbst zu überlassen hätte zu mehr Instabilität in der Region und zu mehr terroristischen Angriffen weltweit geführt.

Es kann nicht bestritten werden, dass die internationale Gemeinschaft anfangs das Ausmaß dieser Herausforderung unterschätzte. Nach neun Jahren internationalen Engagements ist auf schmerzvolle Weise deutlich geworden, dass der Preis, den wir zahlen müssen, viel höher ist als erwartet, insbesondere angesichts all der getöteten internationalen und afghanischen Soldaten.

Doch Afghanistan bewegt sich endlich in die richtige Richtung. Vielleicht denken die Aufständischen, sie müssten nur länger ausharren, aber wir werden so lange bleiben, bis der Job erledigt ist. Beim Training der afghanischen Soldaten und Polizisten sind wir unserem Zeitplan voraus, und ab dem nächsten Jahr wird es 300 000 afghanische Sicherheitskräfte geben - und länger als sie kann niemand ausharren.

Indem wir 40 000 internationale Soldaten zusätzlich geschickt haben und indem wir von den Aufständischen befreite Gebiete halten, haben wir unsere Entschlossenheit demonstriert, das afghanische Volk zu beschützen.

Wir nehmen auch endlich den Kampf gegen die Taliban dort auf, wo es ihnen am meisten wehtut. Im Laufe der letzten Monate haben die von der Nato geführten Isaf-Truppen Militäroffensiven in das Kerngebiet der Taliban gestartet - in Helmand und Kandahar. Diese Operationen, bei denen afghanische Sicherheitskräfte eine wichtige Rolle spielen, werden unweigerlich zu heftigeren Gefechten führen. Bedauerlicherweise wird es mehr Opfer geben. Aber diese militärischen Aktionen sind von enormer politischer Bedeutung. Sie tragen dazu bei, die Taliban sowohl politisch als auch militärisch zu schwächen. Dies wird viele, die sich den Taliban angeschlossen haben, dazu ermutigen, ihre Posten zu verlassen und sich für die Versöhnung einzusetzen.

Dennoch ist Versöhnung kein Blanko-Scheck. Die Absage an Gewalt und die Anerkennung der afghanischen Verfassung - einschließlich der Frauenrechte - ist eine Bedingung für die erfolgreiche Wiedereingliederung ins gesellschaftliche Leben. Die afghanischen Behörden wissen das, und wir werden sie weiter daran erinnern.

Der nächste wichtige politische Schritt nach der Kabul-Konferenz werden die Parlamentswahlen im September sein. Seit dem Sturz des Terrorregimes der Taliban sind die Afghanen bereits mehrmals an die Wahlurnen geströmt. Trotz Todesdrohungen haben sie in großer Zahl ihre Stimme abgegeben. Nichts könnte den Wunsch des afghanischen Volkes, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, besser illustrieren.

Nato-geführte Truppen werden diese Wahlen unterstützen, aber die Verantwortung dafür, dass sie sicher und frei und fair stattfinden, wird in den Händen der Afghanen selbst liegen.

All diese Entwicklungen deuten in dieselbe Richtung: ein schrittweiser Übergang hin zu afghanischer Führung. Dieser Übergang wird nicht auf Basis eines künstlichen Zeitplans stattfinden. Er wird vollzogen auf Grundlage einer klaren Erhebung der politischen und sicherheitspolitischen Situation in jeder Region. Wo und wann wir es auch tun mögen, es wird unumkehrbar sein.

Den Übergang einzuleiten bedeutet nicht, dass der Kampf um Afghanistans Zukunft als ein stabiles Land in einer wechselhaften Umgebung vorbei sein wird. Selbst wenn unsere Truppen in eine unterstützende Rolle wechseln, wird Afghanistan die ständige Unterstützung der internationalen Gemeinschaft benötigen - einschließlich die der Nato. Es ist wichtig, dass wir eine klare Botschaft langfristiger Bindung an das Land senden. Und die afghanische Bevölkerung muss wissen, dass wir weiterhin an ihrer Seite stehen, wenn sie ihren eigenen Kurs in die Zukunft festlegen. Um diese Bindung zu unterstreichen, glaube ich, dass die Nato mit der afghanischen Regierung eine Übereinkunft über eine langfristige Zusammenarbeit treffen sollte. Eine solche Partnerschaft wird Afghanistan noch mehr Selbstvertrauen geben, wenn es wieder die Kontrolle über sein eigenes Schicksal übernimmt.

Wir haben jetzt einen neuen Befehlshaber der Isaf-Mission, General David Petraeus. Aber unsere Strategie hat sich nicht geändert, denn sie ist die richtige.

Unser Ziel ist klar: sicherzustellen, dass Afghanistan nicht noch einmal ein sicherer Hafen für den Terror wird. Wir bauen Afghanistans Fähigkeiten auf, dem Terrorismus und dem Extremismus selbst widerstehen zu können. Wir ändern die politischen Bedingungen in den strategischen Kerngebieten Afghanistans; wir schützen die Bevölkerung; wir stärken die Kompetenz der gewählten Regierung; wir trainieren die afghanische Armee, damit Afghanistan fähig wird, sich um seine eigene Sicherheit zu kümmern. Wenn wir und unsere afghanischen Partner unsere Strategie beibehalten und ihr Zeit geben, wird sie Erfolg haben.