Wer sehnt sich nicht nach einem Gott zum Anfassen und Festhalten? Wie viele Jugendzimmer hängen voll mit lebendigen Göttern - sei es aus der Welt der Popkultur, sei es aus der des Fußballs. Jugendliche brauchen solche Götter, weil man zu ihnen aufschauen kann. Sie tauchen das gewöhnliche Dasein in ein helleres Licht und verleihen dem Alltag Glanz. Die Wände meines Jugendzimmers waren geziert von Marilyn Monroe und Mick Jagger, mit denen ich mich in eine Wirklichkeit "beamen" konnte, in der mein schwächlicher Körper und mein Schielauge keine Rolle spielten. Fast dankbar habe ich damals zu ihnen aufgeschaut.

Als ich jetzt den zerknitterten, aber doch unsterblichen Kopf der Rolling Stones im Stadion von Johannesburg sitzen sah, kamen wieder schöne Erinnerungen an meine Jugend hoch. Aber auch die Erkenntnis: Das war einmal! So wichtig diese sichtbaren Götter der Jugend sind - sie tragen und helfen doch nur für eine sehr begrenzte Zeit.

Nun könnte man diese Form der Religion, sich immer wieder neue und persönliche Götter zu suchen, als oberflächlich oder gar belanglos abtun. Ich erkenne darin aber eine sehr reale Sehnsucht, nämlich die Sehnsucht, am Glanz der Prominenten teilzuhaben. Mir jedenfalls ging es damals so, dass ich mich beim Blick aufs Mick-Jagger-Poster respektiert, anerkannt und irgendwie wertvoll fühlte. Dieses Gefühl hat zwar nicht sehr lange gehalten, aber die Suche nach der Erfüllung dieser Sehnsucht ist geblieben.

Der Gott des Christentums nimmt diese Sehnsucht auf. Das Beispiel von Jesu Leben zeigt, dass man von Respekt und Achtung nicht nur sehnsüchtig (und unerfüllt) träumen muss, sondern Respekt und liebevolle Fürsorge kann man geben und erfahren. Mein Leben und das der Welt können sich verändern, wenn jeder Mensch als vollwertiges Geschöpf Gottes verstanden wird - egal ob reich oder arm, Prominente oder Flüchtlinge, krank oder gesund.

Mir haben die Götter auf der Durchreise gutgetan, denn mit dem sowohl unsichtbaren als auch Mensch gewordenen Gott der Bibel konnte ich damals nichts anfangen. Inzwischen habe ich einen Zugang zu diesem Gott gefunden, mein Horizont hat sich erweitert und ich denke jetzt ganz anders über das Leben - aber ich weiß nicht, ob ich ohne die Götter meiner Jugend dahin gelangt wäre.

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