Dr. Andreas Mehler, 47, ist Direktor des GIGA-Instituts für Afrika-Studien in Hamburg.

Hamburger Abendblatt:

1. Neue Stadien und Hotels: Hat die WM Südafrikas Wirtschaft angekurbelt?

Andreas Mehler:

Die Investitionen sind unübersehbar, ihre kurzfristigen Effekte für die Wirtschaft sind sicher spürbar, aber nicht alle werden auch mittelfristig bedeutsam sein. Volkswirtschaftlich waren die letzten Fußball-Weltmeisterschaften alle ein Zuschussgeschäft, auch in Deutschland. Das könnte in Südafrika ähnlich werden, aber diese Bilanz kann frühestens am Jahresende gezogen werden.

2. Wird wenigstens der Tourismus in Südafrika von der Fußballbegeisterung profitieren?

Das wird man erst in der nächsten Reisesaison sehen. Es bestehen gute Chancen, dass das verbesserte Image mehr Menschen im europäischen Winter nach Südafrika zieht. Die Hotelinfrastruktur war schon vor der WM sehr gut. Die immer gegenwärtige Angst vor der hohen Alltagskriminalität hatte aber Touristen immer wieder verschreckt - hier ist die Bilanz der WM offenbar deutlich positiver als erwartet. Wenn die Touristen dann verstärkt kommen sollten, wird dies mit dem Fußball nicht mehr viel zu tun haben.

3. Verändern die Investitionen die Not der 48 Millionen als arm geltenden Südafrikaner?

Kaum, man hätte durchaus sozial sinnvoller investieren können als etwa in Stadien. Profitieren wollten viele aber vor allem durch das Ereignis WM; das dürfte nur den direkt Beteiligten gelungen sein. So konnten Straßenhändler nur außerhalb der Bannmeile Geschäfte machen, deutlich weniger als ursprünglich erhofft. Indirekte positive Effekte sind aber denkbar, die verbesserte Verkehrsinfrastruktur nützt vielen.

4. Was hat die Aufmerksamkeit, die die Welt während der WM auf Südafrika gerichtet hat, in den Köpfen der Südafrikaner selbst bewirkt?

Die Gemeinsamkeit über die Rassengrenzen hinweg wurde erfolgreich beschworen, der Stolz über die gemeisterten organisatorischen Schwierigkeiten ist unübersehbar. Aber eine Ernüchterung wird mit Sicherheit eintreten, wenn die vielen Alltagsprobleme ins Bewusstsein zurückdringen. Mit einer besseren sportlichen Bilanz hätte "Bafana Bafana" wahrscheinlich auch mehr gesellschaftlich ausrichten können.

5. Hat die weltweite Öffentlichkeit nach der Fußball-Weltmeisterschaft ein anderes Bild vom Land am Kap?

Ja, sicher ein besseres, aber kaum ein genaueres von ganz Afrika, wie viele gehofft haben. Die Berichterstattung z. B. in Deutschland beschränkte sich sehr stark auf Südafrika - und das ist kaum repräsentativ für den ganzen Kontinent. Über die anderen afrikanischen Teilnehmer erfuhren Leser und Zuschauer so gut wie nichts, obwohl doch die Boatengs einen guten Aufhänger für eine intensivere Auseinandersetzung mit Ghana geboten hätten. In Hamburg leben übrigens sehr viele Ghanaer ... - eine verpasste Chance!