Während Gesundheitsminister Philipp Rösler angeschlagen scheint, gewinnt sein Parteifreund, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, mit Beharrlichkeit an Gewicht.

Der eine war die große Überraschung, der andere so etwas wie das notwendige Übel. Als die Liberalen nach den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen mit der Union ihre Ministerriege präsentierten, da war Philipp Rösler (im Foto links) eindeutig der Star. Der Optimistische, der Junge, der Talentierte - das neue Gesicht der FDP. Mit ihm hatten die Liberalen sogar der Lieblingsministerin der Kanzlerin, Ursula von der Leyen, den Posten des Gesundheitsministers abgejagt. Dem "schwierigsten Job der Republik" (Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt) setzte die FDP Leichtigkeit entgegen, einem der wichtigsten Jobs in Krisenzeiten dafür Behäbigkeit. Wirtschaftsminister wurde Rainer Brüderle. Der Anständige, der Alte, der Ewigwartende - das überholte Gesicht der FDP.

Fast zehn Monate später drängt sich der Gedanke auf: Beide wurden verkannt. Hinter Leichtigkeit kann sich auch Leichtgewicht, hinter Behäbigkeit Schwergewicht verbergen. Nach Opel-Krise und Gesundheitsreform, nach Umfragetief und Koalitionschaos kehren sich die Bilder der beiden Minister um.

Was musste sich Brüderle nicht alles anhören. "Botschafter für Wein und Mittelstand", "Minister Frohsinn", "Der Glückskeks". Die Vorliebe des Pfälzers für Rotwein war oft eher ein Thema als wirtschaftspolitische Entscheidungen. Ihm hing das Etikett an, nur Wirtschaftsminister geworden zu sein, weil er schon elf Jahre darauf hingearbeitet hatte und so oft genannt, aber nie ernannt worden war. Vergessen die jahrelange konstant erfolgreiche Arbeit des Wirtschaftsliberalen für seine Partei und für seine Heimat Rheinland-Pfalz.

Elf Jahre war er dort Wirtschaftsminister und hielt als Landeschef die FDP konstant in der Regierungskoalition, bevor er sich 1998 in den Bundestag wählen ließ. Er gilt eigentlich als der Mann für die schwierigen Fälle, als derjenige, der auch verfahrene Situationen mit seiner Schlagfertigkeit löst und sich vor allem immer für den Mittelstand einsetzt. Er kennt den schwierigen Berliner Regierungsbetrieb, und doch gelingt sein Start auf der Ministerbühne nach außen nicht. Nach seinem strahlenden Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kann er nur blass wirken.

Doch Brüderle wartet ab. Erfolgreich stemmt er sich gegen Staatshilfen für Opel, während die Kanzlerin noch wankt. Dann verzichtet der US-Mutterkonzern General Motors auf die Anträge zur Staatshilfe, und es ist Brüderle, der sich durchsetzt. Genauso standhaft bleibt er bei seiner Ablehnung von Steuererhöhungen. Diesmal zögert sein Parteichef Guido Westerwelle, doch Brüderle bringt die Partei auf (seinen) Kurs.

Wer elf Jahre auf einen Ministerposten in der Bundesregierung wartet, der hat eben gelernt, dass auch Beharrlichkeit zum Erfolg führt.

Rösler hatte Beharren - bisher - nicht nötig. Ihm flog der Erfolg einfach zu. Mit 30 Jahren jüngster FDP-Fraktionsvorsitzender in Niedersachsen, mit 33 Jahren jüngster Parteivorsitzender in Niedersachsen, mit 36 Jahren Landeswirtschaftsminister und im gleichen Jahr noch Bundesgesundheitsminister. Er hat noch die Jugend zu sagen, dass er mit 45 Jahren aber nicht mehr im Politikbetrieb sein will. Man müsse dann härter und misstrauischer werden. Er will das nicht. Als ihm der Bundesministerposten angeboten wurde, musste er erst mal nachdenken. Brüderle nicht.

Jetzt allerdings wird Rösler als Bundesminister nicht ohne Härte auskommen. Das hat er schon gemerkt, als die Störfeuer der CSU gegen seine Politik kamen und er sich mit den Pharmafirmen anlegte, die er zur Kostensenkung zwingen will.

Als er von der Einführung der umstrittenen Kopfpauschale bei der Krankenversicherung seine politische Zukunft abhängig machte, hat er sich weit aus dem Fenster gelehnt. Erreicht hat er sie nicht. Künftig allerdings können Krankenkassen Zusatzbeiträge in unbegrenzter Höhe erheben, wenn der einheitliche Kassenbeitrag nicht ausreicht. Das lässt sich als Einstieg in die Kopfpauschale verkaufen. Das erklärt, warum Rösler sich so außerordentlich zufrieden zeigt mit der Gesundheitsreform.

Hat er doch schon Beharrlichkeit gelernt? Bei Rösler hört sich das so an: "Bambus wiegt sich im Sturm, aber er bricht nicht."

Brüderle drückt es direkter aus: "Abgerechnet wird nach vier Jahren" - am Ende einer Legislaturperiode.