Andreas Nauen, der neue Chef von Repower Systems, über die notwendige Massenfertigung und seine unternehmerische Freiheit.

Hamburg. Seit 2004 machte der Manager Andreas Nauen den Siemens-Konzern nach der Übernahme des dänischen Unternehmen Bonus zu einem der weltweit führenden Windturbinenhersteller. Unter anderem baute er - bis dahin unüblich für die Branche - eine Großserienfertigung auf, um die Kosten zu senken . Seit dem 1. Juli führt Nauen das Hamburger Windkraftunternehmen Repower Systems. Dem Abendblatt gab er das erste Interview in seiner neuer Funktion.

Hamburger Abendblatt:

Herr Nauen, Sie sind vom Weltkonzern Siemens zu dem größeren Mittelständler Repower Systems gewechselt - warum?

Andreas Nauen:

In einem Konzern wie Siemens mit 400 000 Mitarbeitern und rund 100 Milliarden Euro Umsatz kann man natürlich vieles machen, das anderswo nicht möglich wäre. Umgekehrt bietet ein Unternehmen wie Repower andere Möglichkeiten als ein Großkonzern. Die Freiheit, die Sie in einem Konzern als Leiter einer Geschäftssparte haben, ist geringer als die eines Vorstandsvorsitzenden einer deutschen Aktiengesellschaft, in meinem Fall nun bei Repower. Mein Eindruck bislang ist, dass meine unternehmerische und gestalterische Freiheit hier sehr groß sein wird. Das hat mich nach rund 20 Jahren bei Siemens bewogen, etwas Neues zu beginnen. Zugleich bleibe ich in dieser Branche, in der ich mit Begeisterung noch lange arbeiten möchte.

Welche Unterschiede erwarten Sie bei Repower im Vergleich mit Siemens, vor allem mit Blick auf die Unternehmenskultur wie auch auf die technologische Ausrichtung?

Bei der Technologie sehe ich keine allzu großen Unterschiede. Repower ist wie Siemens geprägt von einer grundsoliden deutschen Ingenieurskultur, von Mitarbeitern, die das lange machen und die für Kontinuität sorgen. Mit dem Modell 6M hat Repower die bislang weltweit leistungsstärkste Windturbine für den Einsatz in Offshore-Windparks - das zeigt, dass dieses Unternehmen vorn mitspielt. Von der Unternehmenskultur habe ich nach den wenigen ersten Tagen im Unternehmen noch keinen so prägenden Eindruck, dass ich mir darüber ein Urteil erlauben könnte.

Repower gehört seit einigen Jahren zum indischen Windkraftkonzern Suzlon des Unternehmers Tulsi Tanti. Suzlon hält inzwischen mehr als 90 Prozent der Repower-Anteile. Sind Sie in dieser Konstellation nicht letztlich auch wieder Leiter einer Konzerneinheit?

Ganz und gar nicht, schon deshalb, weil die Position eines Vorstandsvorsitzenden eben in formaler und rechtlicher Hinsicht eine andere ist als die eines Leiters einer Geschäftseinheit. Abgesehen davon: Natürlich habe ich mit Herrn Tanti ausführlich darüber gesprochen, was ich hier gestalten soll und kann. Tulsi Tanti arbeitet extrem dynamisch und mit einem enormen Wissen über diese Branche. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er daran interessiert ist, die Eigenständigkeit von Repower einzuschränken - im Gegenteil.

Wo wird es Kooperationen oder eine engere Zusammenarbeit zwischen Repower und Suzlon geben?

Es gibt hier in Hamburg ein gemeinsames Grundlagenforschungszentrum beider Unternehmen, aber zum Beispiel auch eine Zusammenarbeit mit dem Vertrieb von Suzlon am amerikanischen und australischen Markt. Auch ein gemeinsamer Einkauf mit Suzlon kann uns Vorteile bringen. Es gibt viele Felder, auf denen wir Synergieeffekte zwischen Repower und Suzlon heben können. Grundsätzlich muss ich als Vorstandsvorsitzender aber immer auf das hinarbeiten, was wichtig und gut für Repower Systems ist.

Bei Siemens Windkraft im dänischen Brande haben Sie zuletzt eine Fertigung von Windturbinen in Großserien aufgebaut, ein Modell, das für die Branche wegweisend sein könnte. Werden Sie die Produktion auch bei Repower entsprechend neu ausrichten?

Insgesamt ist die Industrialisierung dieser Branche mit Großserienfertigungen nicht aufzuhalten. Wie wir das hier genau machen werden, steht noch nicht fest. Aber diesem Wandel weg von der Manufaktur- hin zur Industriefertigung wird sich auch Repower nicht entziehen können. In den kommenden Tagen sehe ich mir unsere Produktionsstandorte ausführlich an.

Welche wichtigen Aufgaben haben Sie für die nächste Zeit bei Repower?

Wir haben mit der neuen Windturbine 3.XM ein sehr gutes Produkt für den Einsatz an Landstandorten. Damit wollen wir nun einen guten Marktanteil erzielen, vor allem auch beim sogenannten Repowering, dem Austausch älterer gegen neuere und leistungsstärkere Windturbinen an den Standorten in Deutschland. Bei den Offshore-Windparks wollen wir unsere ersten und sehr guten Erfahrungen aus dem Testfeld Alpha Ventus zunächst mit Großaufträgen in Großbritannien und in Deutschland umsetzen und fortsetzen. An den einzelnen nationalen Märkten müssen wir sicher vor allem in den USA sehr bald noch deutlich zulegen. Die Vereinigten Staaten werden neben China langfristig der weltweit wichtigste Markt für die Windkraft sein.

Wie wird sich Repower am größten Windkraftmarkt China entwickeln?

China ist einer der schwierigsten Märkte überhaupt, vor allem wegen der großen Zahl chinesischer Hersteller, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. Deren Zahl soll nun, so hat es die chinesische Regierung angekündigt, zwar eingeschränkt werden. Für ausländische Unternehmen wird das Geschäft dort aber kompliziert bleiben. Darüber werde ich demnächst mit unseren Repräsentanten in China beraten.

Das Spielfeld in der Windkraftbranche hat sich in den zurückliegenden Jahren extrem verändert, seitdem Großkonzerne wie Siemens, General Electric und mittlerweile auch Unternehmen wie Samsung aus Südkorea in das Geschäft eingestiegen sind. Wie kann sich ein mittelgroßer Hersteller wie Repower in diesem Feld behaupten?

Es gibt im Prinzip drei Gruppen von Anbietern: die Konzerne, die chinesischen Hersteller verschiedener Herkunft und die nach wie vor reinen Windkraftunternehmen wie Repower, Nordex, Enercon oder Vestas. Ich glaube, dass wir mit unserer sehr starken technologischen Basis unseren eigenen Weg finden werden - wir können andere Hersteller nicht kopieren. Aus Sicht der Kunden geht es immer darum, was die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom kostet. Man kann die Maschinen günstiger anbieten oder aber mehr Kilowatt Leistung aus einer bestimmten Maschine herausholen. In beiden Punkten bin ich für Repower sehr optimistisch.

Der frühere Repower-Chef Fritz Vahrenholt ist heute als Chef der RWE-Sparte Innogy der mit Abstand größte Kunde von Repower. Welchen Effekt hat der ,Vahrenholt-Faktor' für Repower?

Ich mag und schätze ihn sehr. Geschäftlich betrachtet ist er für uns trotz der Vorgeschichte allerdings ein normaler Kunde. Er könnte uns ja auch gar keine Aufträge geben, die wirtschaftlichen Kriterien nicht standhalten. Die Zusammenarbeit mit Innogy ist sehr gut, weil wir die Leistungskriterien unseres Kunden erfüllen.

Ihre Industrie lebt sehr stark auch von Subventionen. Wie lange wird die Windkraftbranche in Deutschland noch brauchen, um ohne die gesetzlich festgelegten Einspeisevergütungen für Ökostrom am Markt zu bestehen?

Als Hersteller von Windturbinen orientieren wir uns heutzutage an einem Weltmarkt mit vielen nationalen Märkten, die jeweils andere Windbedingungen und auch eine Vielzahl unterschiedlicher Förderinstrumente aufweisen. Grundsätzlich muss man sehen, wie stark die Branche die Kosten für die Erzeugung von Windstrom in den vergangenen zwei Jahrzehnten gesenkt hat. Dies ist ja noch längst keine so ausgereifte Industrie wie etwa die Automobilbranche. Aber der technologische Fortschritt am Windkraftmarkt ist beeindruckend. Jede neue Turbine erzeugt den Strom billiger als die vorherige Generation. Deshalb werden auch die Kosten für Windstrom deutlich weiter sinken. In welchem Jahr und in welchem Monat das dann ganz ohne Einspeisevergütungen funktionieren wird, ist aber letztlich Spekulation. Das wird in den einzelnen Ländern, in denen Windkraftanlagen betrieben werden, auch zu unterschiedlichen Zeiten geschehen.