Bürger und Politiker trafen sich in Harburg zu einer Mahnwache gegen Gewalt

Still war es vor dem Harburger Rathaus. Ganz still. Und nicht wenige hatten Tränen in den Augen, als sie rote Kerzen auf den Stufen vor dem ehrwürdigen Gebäue im Herzen des südlichsten Stadtteils ablegten. Für eine Schweigeminute unter dem Motto "Ein Licht gegen Gewalt" kamen am Dienstagabend etwa 600 Menschen aus Harburg und Umgebung zusammen, um des Todes des vor zwei Wochen an der Bremer Straße erstochenen Pascal E. zu gedenken - und um ihrer Trauer, ihrer Fassungslosigkeit sowie ihrer Sorge über die scheinbar eskalierende Gewalt im Stadtteil Ausdruck zu verleihen. Sie wollen ein deutliches Zeichen gegen die Gewalt setzen, wollen es nicht hinnehmen, dass Angst und Unsicherheit auf den Straßen ihr Leben beeinflussen.

Aufgerufen dazu hatte die Gruppe "Gegen Gewalt in Harburg", die Robert Rittich auf dem Internet-Portal facebook einrichtete. Anlass für die neu entfachte Diskussion um mehr Sicherheit in Harburg waren die Vorkommnisse der vergangenen Wochen. Dazu gehörte nicht nur der tödliche Messerangriff auf den 22 Jahre alten Pascal E. Eine Schlägerei am S-Bahnhof Neuwiedenthal nur wenige Tage nach seinem Tod machte schließlich das Maß voll. "So darf es auf keinen Fall weitergehen. Es reicht und es muss etwas geschehen", sagte Robert Rittich, der selber, so sagt er, bereits Opfer von fünf Überfällen wurde.

Mit dabei waren auch die vier Fraktionsvertreter Rainer Bliefernicht (CDU), Jürgen Heimath (SPD), Ronald Preuß (GAL) und Immo von Eitzen (FDP). Sie stellten sich den Fragen von Moderator Udo Brückner. Mit Buh-Rufen, aber auch mit Applaus reagierten die Teilnehmer der Mahnwache auf die Erklärungen, warum zum Beispiel die Verurteilungen von Tätern so lange dauern würden, warum diese besser geschützt werden als ihre Opfer und ob die Politik überhaupt etwas für die Sicherheit unternehmen würde.

Viele Fragen blieben für die Harburger unbeantwortet, denn "entschieden wird vom Hamburger Senat", erklärten die Politiker. Einig sind sich die vier Fraktionen darüber, dass die Polizei nicht "am Anschlag" arbeiten dürfe und eine Aufstockung des Personals in der Neugrabener Wache nötig wäre. "Wir hoffen, dass Hamburg den Zusammenschluss der beiden Wachen Nöldeke- und Knoopstraße zurücknimmt und dadurch auch mehr Polizeipräsenz in Harburg sichtbar wird", sagte Rainer Bliefernicht.

Die Hoffnung ruht auf Bezirksamtleiter Torsten Meinberg. Er hatte sich am Montag mit Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) und Justizsenator Till Steffen (GAL) getroffen, um über die Serie von Gewalttaten in Harburg zu sprechen. Nach Abendblatt-Informationen herrschte Einigkeit darüber, dass Integrations- und Freizeitangebote von Neuwiedenthalern mit deutsch-russischem und arabisch-türkischem Migrationshintergrund nicht wahrgenommen und somit von sozialen Institutionen nicht erreicht werden.

Um diese Ausgrenzung zu überwinden, sollen Sozialarbeiter zu den Treffpunkten dieser Jugendlichen und jungen Erwachsenen geschickt werden, um erst einmal mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Als positiv bewerteten die Senatoren die Bemühungen der Harburger Sicherheitskonferenz, die unter dem Motto "Gemeinsam gegen Gewalt" in Zusammenarbeit mit der Lawaetz-Stiftung und den Polizeiwachen präventive Kriminalitätskonzepte, wie unter anderem integrative Fußballturniere, an Schulen ausrichtet.

Das Organisationsteam von "Ein Licht gegen Gewalt" war zufrieden mit der Resonanz und dem Verlauf der Mahnwache. "Sollte sich nichts ändern, wird dies nicht unsere letzte Aktion gewesen sein." Negativ stieß allerdings auf, dass vereinzelt ausländerfeindliche Parolen gerufen wurden. Die Grüne Jugend und die Hamburger Jusos zeigten sich deshalb nach der Aktion wenig angetan. Sie beklagen "inhaltliches und stimmungsmäßiges Entgleiten" der Veranstaltung. Durch polemische Moderation und reißerische Parolen sei der Trauerakt in eine gefährliche Richtung gelenkt, rechtsstaatsfeindliche Stimmung erzeugt worden. Lena Mußlick von der Grünen Jugend: "Es ist wichtig, dass das Problem Jugendgewalt thematisiert und auf politischen Handlungsbedarf aufmerksam gemacht wird." Die Trauer dürfe jedoch nicht zum Zweck der hetzerischen Meinungsmache instrumentalisiert werden.