Ralf Nagel, 51, Ex-Wirtschaftssenator in Bremen, ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Reeder.

Hamburger Abendblatt:

1. In der Seeschifffahrt geht es wieder aufwärts. Warum brauchen die Unternehmen immer noch Hilfe vom Staat?

Ralf Nagel:

Weil die Krise noch nicht abgehakt ist. Vor allem die mittelständischen Reedereien, die ihre Schiffe an die großen Linienreeder vermieten, haben Schwierigkeiten, ihre Betriebskosten, Zinsen und Tilgung zu bezahlen. Hintergrund sind die stark gefallenen Mietpreise für die Schiffe, die frühestens in ein bis zwei Jahren wieder mindestens kostendeckend sein werden.

2. Wie viele Unternehmen und Menschen könnten betroffen sein?

Ohne staatliche Bürgschaften stehen in den kommenden zwei Jahren 200 Schiffe vor dem Aus. Rechnet man pro Frachter 40 Beschäftigte auf See und dazu 40 Beschäftigte an Land, Versicherer, Banker und Zulieferfirmen eingeschlossen, ergibt sich eine Summe von 16 000 Arbeitsplätzen. Sie könnten in Gefahr geraten. Das sind zwar nicht alles deutsche Seeleute. Der Aderlass wäre aber spürbar.

3. Wie müsste die Hilfe aussehen, wie viele Millionen Euro wären nötig?

Es geht nicht um neue Programme, sondern um die Anwendung vorhandener. Die Reeder müssten für 2010 bis 2012 über Landesbürgschaften gesichert werden. Für jedes Jahr wären etwa 170 Millionen Euro notwendig. Immerhin hat sich jetzt auch Hamburg für solche Bürgschaften ausgesprochen, um damit die schwierige Phase zu überbrücken. Nicht vergessen werden sollte aber, dass noch Neubauen für 1,5 bis zwei Milliarden Euro ausstehen. Hier könnte über den Deutschland-Fonds der KfW-Bank geholfen werden. Nur: Das Programm soll Ende des Jahres auslaufen, was die gesamte Branche nicht verstehen kann. Der Bundeswirtschaftsminister lehnt eine Verlängerung ab. Für uns ist das ganz klar ein falsches Signal.

4. Ist die Strategie der HSH Nordbank, die ihre Geschäftsbeziehungen zu den Reedern deutlich reduzieren will, falsch?

Das kann man so sehen. Voraussetzung für eine Bürgschaft ist, dass eine Bank daran interessiert ist und sie mit beantragt. Jetzt ist die politische Flankierung durch die Küstenländer da und die HSH will die Möglichkeiten nicht in Anspruch nehmen. Das gilt vor dem Hintergrund, dass die Reeder jahrelang ihre Kredite bedient und die Bank verdient hat. Wir verlangen, dass mit den Betroffenen ordentlich umgegangen wird.

5. Was passiert, wenn die Hilfen von den Landesbanken nicht weiter gewährt werden?

Dann wird die Konkurrenz im Ausland gestärkt, ohne dass sie sich anstrengen musste. Einfach dadurch, dass zu günstigen Konditionen Schiffe auf den Markt kommen, die die Reedereien nicht mehr halten können. Dass künftig solche Schnäppchen-Schiffe angeboten werden, müssen die Küstenländer und der Bund verhindern. Da sehe ich eine politische Verantwortung. Vorschlag: Wenn die Landesbanken keine Schiffe mehr finanzieren wollen, kann ja die KfW einspringen. Sie sollte immer als Mittelstandsbank etabliert werden.