Regisseur Andres Veiel, 50, gilt als mutiger Filmemacher mit Gespür für politische Themen.

Hamburger Abendblatt

1. Sie haben gerade den Spielfilm "Wer wenn nicht wir" abgedreht, in dem es um die Vorgeschichte der RAF (Rote Armee Fraktion) am Beispiel von Gudrun Ensslin, Bernward Vesper und Andreas Baader geht. Sind die Deutschen besessen von diesem Abschnitt ihrer Geschichte?

Andres Veiel

Die deutsche Gegenwart ist viel stärker von der Geschichte geprägt, als uns das im Alltag bewusst wird. Traumatisierungen und Gewalterfahrungen betreffen dabei nicht nur die Zeit der RAF, sondern auch die davor und danach. Diese Dämonen will ich sichtbar machen und in eine ästhetisch-künstlerische Arbeit packen. Die Länder, in denen der Terrorismus in besonders harter Form auftrat - Italien, Japan, Deutschland -, haben alle eine faschistische Vorgeschichte. Man muss sich deshalb mit den biografischen Hintergründen der Protagonisten beschäftigen, um auch Antworten zu finden für die Gewaltbereitschaft in der Gegenwart und Zukunft.

2. Warum zieht dieses zeitgeschichtliche Thema gerade Filmemacher so stark an?

Da kann ich nur für mich selbst sprechen. Wir sind geprägt durch die ewig gleichen Erklärungsmuster und Bilderschleifen: Die Schüsse auf Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg führen zu den Studentenunruhen. Daraus entwickelt sich die terroristische Eskalation - gegen eine vermeintlich faschistoid erstarrte Elterngeneration. Meine These lautet jetzt: Gudrun Ensslin und Andreas Baader wehrten sich nicht gegen die Nazi-Vergangenheit ihrer Eltern. Die waren zum Teil mit einem Schritt im Widerstand, und die Kinder haben dann fortgesetzt, was die Eltern nicht geschafft haben.

3. Interessiert das Filmemacher vielleicht aber mehr als die Zuschauer?

Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn ein Thema mich nicht loslässt, geht es auch die Zuschauer an. Was ich mache, ist kein elitäres Privatvergnügen.

4. Bekommt man für Geschichten über diesen Personenkreis besonders leicht Geld von der Filmförderung?

Im Gegenteil. Wir mussten einige Förderer überzeugen, warum wir nach dem "Baader Meinhof Komplex" noch mal das Thema aufgreifen. Überzeugen kann man nur mit gutem Drehbuch.

5. Welche bisherigen Filme über die RAF halten Sie denn für gelungen?

"Die innere Sicherheit" ist ein hervorragender Film, der sich mit dem Nachbeben der RAF beschäftigt. Weil wir uns mit der Vorgeschichte befassen, erzählen wir eine scheinbar bekannte Geschichte komplett neu.