Wie kann man die Jugendgewalt in eindämmen? Das Abendblatt sprach mit Christian Böhm, dem Leiter der Beratungsstelle Gewaltprävention.

Abendblatt:

Herr Böhm, was dachten Sie, als Sie erstmals von Box-Out hörten?

Christian Böhm:

Das, was wohl viele denken: Boxen und Gewaltprävention - eine eher kritische Gemengelage. Boxen ist ein Kampfsport, wie soll das gehen? Dann haben wir uns differenzierter damit auseinandergesetzt und gesehen, dass durch dieses Angebot Schüler erreicht werden, die man mit anderen Veranstaltungen eben nicht erreicht.

Was unterscheidet Box-Out von anderen Angeboten?

Ich würde das nicht gegeneinanderstellen. Es ist eine hervorragende Ergänzung auf dem Büffet von vielen Maßnahmen. Es geht darum, an die gefährdeten Schüler ranzukommen. Wenn du nur fünf erreichst - wunderbar. Viele trauen sich nichts mehr zu, außer der eigenen körperlichen Kraft. Das kennen sie von zuhause. Durch Box-Out lernen sie, dass das Lernen auch Erfolg beinhalten kann.

Wie wichtig sind gute Trainer?

Damit steht und fällt solch ein Projekt. Es geht um die Ansprache. Es ist ein Unterschied, wenn ein Trainer fragt, wie wollt ihr fit sein, wenn ihr zu spät ins Bett geht oder nur Junkfood in euch reinstopft? Oder wenn ein Lehrer vor der Klasse steht und sagt: Wir reden jetzt über euer Ernährungsverhalten.

Als Sie vor zwölf Jahren in Hamburg anfingen, gab es hier anderthalb Stellen. Jetzt arbeiten elf Mitarbeiter in der Gewaltprävention. Trotzdem nimmt die Gewalt an Schulen zu.

Wir haben in Hamburg erst vor zwei Jahren angefangen, die Meldepflicht über Gewalt an Schulen einzuführen. Wenn jetzt immer mehr mitmachen, steigen allein dadurch die Zahlen.

480 Meldungen im vergangenen Jahr - wie beunruhigend finden Sie das?

Das ist pro Schule ein Fall. In Berlin werden jährlich 1700 Fälle gemeldet. Beunruhigt bin ich über die 25 seit April gemeldeten Fälle von gefährlicher Körperverletzung, auch wenn das durch ein geändertes Anzeigeverhalten entstanden sein könnte. Das waren 2008 und 2009 je 40 Fälle. Grundsätzlich bin ich nicht über Zahlen beunruhigt, sondern dann, wenn diese Vorfälle nicht richtig bearbeitet werden.

Wie beim Messerstechers Elias A.?

Die Aufarbeitung hat gezeigt, dass dem unverändert gewalttätigen Verhalten des Jugendlichen nicht kontinuierlich genug nachgegangen worden ist.

Und dass die Schulen nicht über laufende Strafverfahren informiert waren.

Richtig. Als Konsequenz werden die Fälle jetzt bei uns angesiedelt. Es geht um einen neuen Dreiklang von Schule, Jugendhilfe, Polizei.