Der türkischstämmige Autor lobt die “Überfremdung“ in unserer WM-Fußballnationalelf, weil sie Migranten motiviert, sich zu diesem Land zu bekennen

"Deutsche Helden heißen Özil." So steht es in schwarz-rot-goldenen Lettern auf einem T-Shirt, das man im Internet kaufen kann. Noch vor zehn Jahren hätte so ein Spruch nur hämisches Gelächter ausgelöst. Aber seit ein zweites Sommermärchen das Land erfasst hat und die deutsche Mannschaft bei der Weltmeisterschaft begeisternden Fußball spielt, ist das T-Shirt ein Verkaufsschlager. Heutzutage heißen deutsche Helden nicht nur Özil, sondern auch Khedira oder Cacau.

Es hat lange genug gedauert, aber der Albtraum aller Stammtischpolitiker und Wächter der deutschen Leitkultur ist schließlich Wirklichkeit geworden: Die deutsche WM-Auswahl strotzt nur so vor "Überfremdung". Junge Männer mit türkischer, polnischer, brasilianischer und ghanaischer Herkunft tragen stolz den Bundesadler auf der Brust, gehen für Deutschland auf Torjagd, preisen deutsche Tugenden wie Fleiß, Ordnung und Disziplin und werden vom ganzen Land gefeiert.

Niemand ist mehr ernsthaft befremdet angesichts dieses "Mischmaschs" in der DFB-Elf. Und die gestrige Frage "Kann es noch schlimmer kommen?" beantworten wir heute freudestrahlend mit: "Hoffentlich!"

Was diese junge Mannschaft neben ihrem offensiven, leidenschaftlichen Spiel und ihrem "unverkrampften" Auftritt - auch Abseits des Rasens - besonders und einmalig macht, sind zwei Dinge: Zum einen spiegelt ihre Zusammensetzung endlich die gesellschaftliche Realität wider. Seit gut fünfzig Jahren leben Millionen Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund in diesem Land, seit genauso langer Zeit leisten sie ihren Beitrag zum Wohlstand dieses Landes, bereichern es kulinarisch und kulturell. In der öffentlichen Wahrnehmung tauchen sie aber hauptsächlich als ein "Problemfeld" auf, das es zu beackern gilt. Die Nationalelf zeigt nun, und zwar mit Selbstverständlichkeit: Längst ist die Bundesrepublik Deutschland ein Einwanderungsland, auch wenn sich bisher keine Kanzlerin und kein Kanzler getraut hat, diese Tatsache offen auszusprechen.

Zum anderen gelingt dieser Mannschaft im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch, was kaum einem Politiker mit handelsüblichen Sonntagsreden gelang: Sie motiviert Migranten, sich zu diesem Land zu bekennen und sich dazugehörig zu fühlen, ohne die eigene Herkunft, Kultur und Religion aufzugeben.

Sie erleben, dass die eigene "Andersartigkeit" von der deutschen Mehrheitsgesellschaft nicht mehr als Makel, sondern als Bereicherung wahrgenommen wird. Um akzeptiert und respektiert zu werden, braucht es allein Talent und Leistung, nicht mehr die "richtige" Herkunft.

Natürlich werden elf junge, sympathische Millionäre in kurzen Hosen nicht das gesellschaftliche Klima in diesem Land grundlegend ändern können. Aber die Botschaft, die sie aus Südafrika in die Heimat senden, ist ermutigend. Deshalb malen sich junge Frauen und Männer aus Migrantenfamilien Deutschlandfahnen ins Gesicht und feiern mit ihren deutschen Freunden jeden Sieg, weil auch etliche Spieler dieser Mannschaft Söhne von Migranten sind, die es geschafft haben. Sie sind ein Teil des sportlichen Heiligtums der Deutschen geworden. Sie sind deutsche Fußballnationalspieler.