Wie zwei Restaurants das Achtelfinale Spanien gegen Portugal zelebrierten. Niedergeschlagenheit auf der einen, Torfreude auf der anderen Seite.

Hamburg. Um 21.53 Uhr verdrängt Entsetzen die Zuversicht in den Gesichtern. Zumindest vor der Casa Benfica sinkt die Stimmung abrupt. Die portugiesische Belegschaft kann es nicht fassen. David Villa schießt das 1:0 für Spanien im WM-Achtelfinale. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite: verkehrte Welt. Der Jubel kennt keine Grenzen. Im spanischen Restaurant Casa Ricardo wird gefeiert, als wäre schon Schluss. Niedergeschlagenheit auf der einen, Torfreude auf der anderen Seite.

Deshalb sind viele Hamburger hier, dicht gedrängt stehen sie zwischen Spaniern und Portugiesen auf der Straße. Denn nirgendwo sonst in Hamburg kann das Duell der Erzfeinde so emotional erlebt werden, wie an der Rambachstraße. Dort, wo portugiesische Spezialitäten in der Casa Benfica auf der einen Seite den spanischen Leckereien der Casa Ricardo auf der anderen Straßenseite gegenüberstehen.

Heute wird die Rivalität auch visuell betont: Im spanischen Restaurant trägt das gesamte Personal Trikots der La Selección, beim Portugiesen hat die Stammkundschaft rot-grüne Leibchen an, um die Selecção nach vorn zu jubeln.

Kleine Sticheleien gibt es demnach schon vor dem Spiel: "Wir haben unsere drei Fernseher drinnen", sagt Jose Lopez, Inhaber der Casa Ricarda. "Draußen gucken, das überlassen wir den Portugiesen." Er lächelt dabei, aber ein Stück der alten Rivalität blitzt selbst bei der Bemerkung über die Sehgewohnheiten der anderen Seite auf. Dabei steht es, gemessen an der Zahl der Fernsehapparate, tatsächlich unentschieden - beide Lokale bieten ihren Gästen je drei Bildschirme.

Was die Siegchancen angeht, hat natürlich jede Seite ihre eigene Auffassung. "Ein 1:0 würde uns reichen. Und bei Turnieren haben wir immer gut gegen die Spanier ausgesehen", sagt Sofia Rocha, Chefin der Casa Benfica, vor dem Spiel. Von den Ohrringen bis zu den Stutzen ist sie ganz auf ihr Heimatland eingestellt - und sachkundig ist sie obendrein: "2004, bei der EM, haben wir es den Spaniern mit einem 1:0 gezeigt - warum nicht auch heute." Vielleicht, weil der Restaurantnachbar etwas dagegen hat? "Ich habe ein gutes Gefühl heute", sagt Jose Lopez. "Früher waren wir keine gute Turniermannschaft, aber aktuell stimmen Kondition und Technik." Sein Tipp vorher: 2:1 für Spanien. "Mit der Europameisterschaft im Rücken können wir dieses Mal vielleicht auch gegen die Portugiesen glänzen."

Spektakulären Fußball bekommen die 300 Gäste der beiden Lokale nur stellenweise geboten. Aber ein Raunen in der 20. Spielminute lässt erahnen, warum sich viele Hamburger genau diese zwei Lokale zum Fußballgucken ausgesucht haben. Iker Casillas reißt nach einem kapitalen Schuss von Fabio Coentrao die Fäuste hoch. Erste echte Chance für Portugal nach kleinen Nadelstichen der Spanier in der ersten Viertelstunde. "Und trotzdem holen wir den Sieg", sagt Christian Dias zu diesem Zeitpunkt noch zuversichtlich. Er hat "Orgulho e Honra" auf den Rücken tätowiert, Stolz und Ehre. "Als Halbportugiese sage ich: Hauptsache gewinnen!"

SPANIEN SCHLÄGT PORTUGAL

"Wenn wir gewinnen, gibt es Riesengarnelen für alle", ruft die in der portugiesischen Kleinstadt Avedo geborene Sofia Rocha aus. Soweit kommt es aber nicht. Auf der spanischen Seite heißt es von Jose Lopez: "Wenn wir gewinnen, wird der heutige Tag zum Fest." Im Gegensatz zum territorialen Verhältnis auf der Iberischen Halbinsel, wo Spanien deutlich mehr Raum einnimmt, sind die Spanier am Hamburger Hafen klar in der Unterzahl. Zwei spanische Restaurants gibt es im Viertel, was die rot-grüne Übermacht aber nicht ausnutzt. "Wir mussten uns jedenfalls noch nicht bewaffnen", grinst Jose Lopez. Die herzliche Feindschaft der beiden ewigen Widersacher spielt dagegen keine Rolle mehr: "Wir suchen uns nicht, aber es ist ein angenehmes Miteinander", sagt Sofia Rocha.

DER KADER VON PORTUGAL

Das würden die Besucher - die ersten haben sich 19 Uhr ihre Plätze gesichert - so unterschreiben. Gelb-rote Fähnchen mischen sich mit dem Seefahrerkreuz der Portugiesen. Es bleibt beim 1:0. Spanier verschwinden in die Nacht, Portugiesen lecken Wunden.