Eine Glosse von Kai-Hinrich Renner

Wenn dieser Tage der letzte große Hersteller von Musikkassetten schließt, denken wir noch einmal an unsere Jugend zurück. Die Kassette stand am Anfang unserer Musiksozialisation - zusammen mit dem Radio. Beide bildeten einen Medienverbund. Das hatte anfangs ökonomische Gründe: Als Heranwachsende konnten wir es uns nicht leisten, für jede halbwegs interessante Single Geld auszugeben. Viel einfacher war es da, die neuesten Hits mit dem Kassettenrekorder aus dem Radio aufzunehmen.

Später, unser Geschmack war mittlerweile etwas elaborierter, entdeckten wir dank dieses Medienverbundes musikalische Perlen, die in Hamburg gar nicht oder nur mit Schwierigkeiten käuflich zu erwerben waren. Dazu gehörte John Peels wöchentliche Sendung im britischen Soldatensender BFBS, der Stücke von wunderbar abseitigen Underground-Bands spielte. Da war Aufnehmen Pflicht. Aber auch bei "Musik für junge Leute" auf NDR 2 unter der Leitung des großartigen Klaus Wellershaus war manche Rarität im Programm.

Tempi passati. John Peel ist viel zu früh gestorben. Und der Hörfunk - ob öffentlich-rechtlich oder privat - mutierte oftmals zum gesichtslosen Formatradio. Gibt es zwischen dem Niedergang der Kassette und dem des Hörfunks einen Zusammenhang? Müssen nach dem Diepholzer Kassettenwerk auch RSH, NDR 2 und Radio Hamburg schließen? Ein kultureller Verlust wäre das jedenfalls nicht.