Weltmeisterlich, wie Brigitte Ehrich ihren Kiosk an der Horner Landstraße zu einer Börse für Panini-Bilder macht. Die Kunden stehen Schlange.

Hamburg. Ihre Familie sagt, sie habe einen Schuss im Karton, ticke nicht ganz richtig. Ihre Mitarbeiter sind derselben Meinung. Darum schert sich Brigitte Ehrich überhaupt nicht. Die Besitzerin eines Toto-Lotto-Ladens an der Horner Landstraße in Horn betreibt eine Panini-Börse und halst sich damit jede Menge zusätzlicher Arbeit auf. Sie führt Listen, nimmt Suchaufträge übers Wochenende an, durchforstet Kartons von Panini-Bildern nach doppelten und seltenen Stickern. Das ist viel Arbeit, an der sie nicht viel verdient. Die Kunden stehen bei ihr Schlange.

Panini-Bilder, so scheint es, sind zurzeit allgegenwärtig. Es gibt Tauschbörsen in Kitas, an Schulen, im Internet und auf Stadtteilfesten. Aber so fürsorglich und individuell wie bei Brigitte Ehrich werden die Sammler, die einen Müller gegen einen Messi tauschen, wohl nirgends betreut. Zehn Uhr morgens. Jan, fünf Jahre alt, fehlt unter anderem die Nummer 126. Der Aufkleber zeigt ein Emblem von Nigeria. Weil der junge Panini-Bilder-Sammler in der Kita ist, ist seine Mutter Janet Krause vorbeigekommen. Sechs Sticker fehlen ihrem Sohn insgesamt, dann ist das Album mit den 640 Motiven vollständig.

+++ Das Panini-Unternehmen wurde 1961 gegründet +++

Die Ladenbesitzerin, so ein gemütlich-herzlicher und lebensfroher Muttertyp, geht dabei ganz systematisch vor. Sie kauft zehn Kartons Panini-Bilder für ihre Tauschbörse. In jedem Karton sind 100 Tüten à fünf Sticker, macht 500 Sticker pro Karton. Eine Tüte kostet 60 Cent. Sie öffnet die Tüten und sortiert die Bilder.

Damit sie die Stapel von Bildern, die ihr die Kunden zum Tausch anbieten, nicht einzeln zählen muss, hat sie ausgerechnet, dass 100 Karten 67 Gramm wiegen. Weil sie auch eine Postfiliale in ihrem Geschäft betreibt, wiegt Frau Ehrich die Stapel mit einer genau justierten Briefwaage. Zahlen und Rechnen seien ihr Ding. Aus den Panini-Bildern macht sie sich auch nichts. "Das sind für mich nur Zahlen."

Sie hat drei Listen: "Nehme ich nicht", das sind die Sticker, die sie nicht benötigt. Und zwei "Brauche ich dringend"-Listen mit allen Bildchen, die sie braucht. Die Listen sind wirklich etwas für Zahlenfreaks, eine dreistellige Zahlenreihe neben der anderen. Jeder Kunde streicht auf diesen Listen die Zahlen durch, die er nicht benötigt. Zu Hause in ihrem Haus bei Barsbüttel geht die 55-Jährige diese Listen, die sie in gelben Plastikdosen mit Spongebob-Aufkleber aufbewahrt, durch.

"Seit Wochen ist wieder Hochbetrieb. Die Gartenarbeit, das Kochen, die Hausarbeit bleiben liegen", sagt sie und lacht. Dabei steht sie ohnehin täglich bis zu 15 Stunden an fünf Tagen in der Woche in ihrem Geschäft. "Ich bin Steinbock. Entweder ich mache etwas und maule nicht, oder ich lasse es gleich ganz." Ihr Mann habe sich schon beschwert. Aber gegen die Lust seiner Frau am Sortieren hat er keine Chance. Immerhin teilt das Paar diese Leidenschaft. "Wir puzzeln beide sehr gern."

Begonnen hat die Tauschbörse vor acht Jahren in ihrem ehemaligen Lebensmittelladen am Querkamp. "Ich wollte das gar nicht, aber die Kunden schon." Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2002 standen die Kunden bis zu eineinhalb Stunden Schlange bei ihr. 2004 hatte sich Frau Ehrich geschworen: "Das mache ich nie wieder." Bei der WM 2006 hatte sie bis zu 230 Listen gleichzeitig zu bearbeiten. Obwohl ihr Sohn geholfen hat, hatte sie danach eine Sehnenscheidenentzündung im Arm.

Aber Frau Ehrich macht dennoch weiter. Sie erklärt das so: "Die Menschen brauchen mich. Wenn ich darum gebeten werde, mache ich das einfach. Eine Logik steckt nicht dahinter." Sie vermutet ein Helfersyndrom. Das könnte sein. Schließlich hat die Mutter von drei Kindern in ihrem Leben schon 14 Pflegekinder großgezogen.

Nicht nur zu WM-Zeiten kommen die Sammler in den Schreibwarenladen, sondern auch zu den Europameisterschaften. Es gibt auch Alben für die Bundesliga. Und es sind nicht nur Kinder, die tauschen und kaufen. "Da sind die Herren, die ihr Buch voll haben wollen und 88 Euro auf den Tisch blättern." Inklusive einer Bearbeitungsgebühr, die Frau Ehrich dafür nimmt. Für diese Kunden sind vollständige Alben auch eine Geldanlage. Gerade habe jemand für ein Album von 1974 bei Ebay 1000 Euro bekommen. Sogar die Damen vom Kiez sammeln Panini-Bilder und schicken regelmäßig einen Herrn vorbei.

Während Frau Ehrich das alles erzählt, sortiert sie nebenbei die vielen Bilder. Dann ruft sie: "Frau Krause! Warten Sie!" Sie hat die Nummer 126 gefunden, die Nigeria Football Association in dem Album von Jan ist vollständig. Das Album damit auch.