Englands Nationaltrainer Fabio Capello wird auf der Insel gefürchtet, Joachim Löw gilt als Liebling der Deutschen. Beide verkörpern unterschiedliche Fußball-Philosophien.

Wenn an diesem Sonntag um 16 Uhr in Bloemfontein in Südafrika der Fußballklassiker zwischen England und Deutschland angepfiffen wird, stehen sich nicht nur zwei Fußball-Großmächte, zwei ehemalige Weltmeister und zwei vermeintliche Turnierfavoriten gegenüber: Es treffen auch zwei grundverschiedene Fußballphilosophien aufeinander - in Gestalt der beiden Nationaltrainer.

Auf der einen Seite steht Joachim Löws (Foto rechts) Wunsch nach jungem, attraktivem und ergebnisunabhängigem Offensivfußball und auf der anderen Seite Fabio Capellos berechnender und systematischer Defensivfußball. Beide als Trainer unterschiedlich, haben sie dennoch eines gemeinsam: Sie sind zwei leidende Angestellte, vereint in ihrer Machtlosigkeit am Spielfeldrand.

"Das Wichtigste ist das Ergebnis. Das ist keine Philosophie, sondern eine Tatsache", erklärt Capello, der mit dem Argentinier Helenio Herrera ausgerechnet den Erfinder des italienischen Catenaccios als einen seiner Lehrmeister auserkoren hat.

Es klingt hart, aber wahrscheinlich hat Englands Nationaltrainer damit sogar recht.

Capello, 64, knorriges Gesicht, gelernter Bauzeichner, arbeitet seit zweieinhalb Jahren auf der Insel. Dem Italiener so richtig getraut haben die Briten allerdings noch nie - nicht, als er mit vier Siegen in die WM-Qualifikation sensationell erfolgreich startete, und schon gar nicht, als seine Mannschaft nur durch einen ugly 1:0-Pflichtsieg im letzten Gruppenspiel gegen Slowenien glücklich die Vorrunde überstand. "Man fürchtet ihn, so wie man Unbekanntes hierzulande generell fürchtet", sagt der frühere englische Stürmerstar Alan Shearer.

Doch sollte Capello, der Handyverbot, Kleiderordnung und Pünktlichkeit seiner Spieler penibel kontrolliert, Löws Deutschland pünktlich zur Teatime am Sonntag tatsächlich schlagen, wären im Mutterland des Fußballs alle Zweifel schnell beseitigt: Das Wichtigste ist eben das Ergebnis.

Löw, 50, freundliche Erscheinung, ein ehemaliger Ministrant, arbeitet seit 2004 für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), seit 2006 als Cheftrainer der Nationalmannschaft. Und Deutschland liebt Löw, selbst dann, wenn seine junge Mannschaft gegen den ewigen Konkurrenten von der Insel an diesem Wochenende verlieren sollte.

"Ich schätze Joachim Löw sehr. Unter seiner Führung ist eine junge Mannschaft zusammengewachsen, mit der sich ein ganzes Land identifiziert. Ganz herzlich möchte ich mich deshalb bei dem Bundestrainer bedanken", lobte DFB-Präsident Theo Zwanziger seinen leitenden Angestellten bereits nach dem WM-Auftakt gegen Australien in höchsten Tönen.

Wenn man hierzulande den Bundespräsidenten direkt wählen könnte, hätte wohl nur Günther Jauch ähnliche Siegchancen wie der allseits beliebte Fußballlehrer. Der Badener ist mehr als nur der Bundestrainer. Löw ist ein Repräsentant des Prinzips Hoffnung. Fans, Medien und vor allem die Spieler glauben und vertrauen ihm.

Doch so anders Löw und Capello in ihren Vorstellungen über Fußball und in ihrer öffentlichen Wahrnehmung auch sein mögen, so ähnlich sind sich die beiden Trainer in der Welt außerhalb der Stadien.

Beide Nationaltrainer achten neben einem gepflegten Äußeren penibel darauf, ihr Privatleben aus den Medien herauszuhalten. Löws Ehefrau Daniela ist ähnlich häufig in den Boulevardzeitungen abgebildet wie Capellos Signora Laura - nie. Auch scheint sich keiner der beiden Männer in der Öffentlichkeit abseits des Rasens wirklich wohlzufühlen. "Jeder sollte da bleiben, wo er hingehört. Ich möchte glaubwürdig bleiben", begründete Löw etwa seine Abstinenz von Talkshows oder Prominenten-Empfängen.

Wenn sich die Fußballlehrer also am Sonntag vor dem Anpfiff im Free-State-Stadion über den Weg laufen, dürfte nichts anderes als dieses faszinierende Spiel zwischen zwei Mannschaften mit einem Ball beherrschendes Gesprächsthema unter den beiden passionierten Trainern sein.

Und welche Philosophie sich schließlich durchsetzt und wer somit am Ende wirklich recht haben wird, dürfte wohl erst nach 90 oder 120 Minuten entschieden sein. Oder: nach einem Elfmeterschießen ...