Die von den Jesuiten als Gutachterin im Missbrauchsskandel bestellte ehemalige Ministerin sieht grundlegende Veränderungen durch den Fall des Augsburger Bischofs Mixa

Der Stab über Bischof Mixa war längst gebrochen - zumindest bei allen Menschen außerhalb des engen Kreises der Kirchenverantwortlichen. Als wäre es nicht genug, erhielten ihre bösen Vermutungen aber in den letzten Tagen noch einmal Nahrung. Die Existenz einer Akte mit eindeutigen Beschuldigungen wurde bekannt, die offenbar Grundlage für die Entscheidung des Vatikans war, dem Rücktritt Mixas vom Bischofsamt zuzustimmen. Ob der Vorgang Mixa damit endlich abgeschlossen ist? Vermutlich nicht.

So weit, so schlecht. Aber die katholische Kirche kann ohnehin nicht darauf hoffen, dass damit ein unerquickliches Kapitel abgeschlossen ist. Denn die Causa Mixa war nicht das Ärgste, mit dem sie sich in den vergangenen Monaten auseinandersetzen musste. Es bleibt das Ringen darum, wie sie umgeht mit den Erkenntnissen über sexuellen Missbrauch an Kindern in den Kreisen ihrer Priester oder Angestellten. Vor diesem Hintergrund ist der rasche und entschiedene Umgang mit dem umstrittenen Bischof zu sehen (immerhin sah Mixa sich sogar veranlasst, zu denken und zu behaupten, dass in einer Panikreaktion an ihm ein Exempel statuiert werden solle).

Es entspricht der katholischen Kirche, dass sie langsam handelt und sich viel Zeit zum Nachdenken nimmt. Sosehr es oft geschätzt wird, dass die Kirche nicht jeder Stimmung und jeder aktuellen Meinungslage folgt, so schwer wiegt doch jeder Aufschub in der gegenwärtigen Situation, die auch überzeugte Katholiken in eine schwere Glaubenskrise gestürzt hat. Die Kirche hat es nicht mehr so leicht, sich vor unangenehmen Fragen wegzuducken, weil es ja nur die immer gleichen wohlfeilen Einwände von Kirchenkritikern seien. Jetzt fragen auch treue Kirchenanhänger nach. Sie fragen nach der Intransparenz der Entscheidungen, nach den Auswirkungen einer strengen Sexualmoral, nach der Macht der Kirchenoberen und der Ohnmacht der Laien.

Auf all diese Fragen muss die Kirche eine Antwort geben für ihre verzweifelten Mitglieder, die nicht länger das Verhalten der Oberen und die Regularien der Kirche mit dem bislang üblichen Gleichmut ertragen mögen.

Denn gerade weil es für Christen so schwer erträglich ist, zu erfahren, dass im Rahmen ihrer Kirche schwere Verbrechen an Kindern begangen wurden, sind diese Fragen jetzt so drängend: Wie konnte so viel Nachsicht mit Sündern geübt werden? Wie konnte eine solch hohe Mauer um deren Verfehlungen gebaut werden? Und vor allem: Welche Konsequenzen werden gezogen?

In diese tiefe Verunsicherung trifft der Fall Mixa. Es verwundert, wie die Kirche mit ihrem Führungspersonal umgeht. Ist denn, wer einmal berufen ist, quasi immun, es sei denn, es lässt sich nicht mehr verbergen, wie zum Beispiel ein Bischof gefehlt hat?

Die Vermutung liegt nahe, dass bei der Auswahl des Führungspersonals mehr auf theologische Verlässlichkeit als auf Führungsfähigkeit geschaut wird. Und dass Zweifel an der persönlichen Eignung einer Führungsperson nicht zugelassen werden.

Es wird kein Zurück zur bisher üblichen Langmut und zum Gehorsam der Kirchenmitglieder geben, auch wenn Mixa aus der Öffentlichkeit verbannt ist. Denn sein Fall weist über das Bistum Augsburg hinaus. Er weist darauf, dass die intransparenten Strukturen und die nicht hinterfragte Autorität der Oberen in der Kirche nicht länger akzeptiert werden. Die Kirche hat in den vergangenen Monaten zwar begonnen, Aufklärung und Veränderung der Strukturen bei den Fällen des Missbrauchs anzugehen. Aber sie wird in wachsendem Maß der Erkenntnis nicht ausweichen können, dass durch undurchsichtige Strukturen Verfehlungen begünstigt werden. Sie wird sich den drängenden Anfragen ihrer Mitglieder stellen müssen, ob sie wirklich bereit ist, Konsequenzen aus ihren bitteren Erkenntnissen der letzten Monate zu ziehen.

Das wird nicht einfach werden. Nicht für die Vertreter des Klerus und nicht für die Kirchenmitglieder. Aber es ist nicht nur eine Chance, Vertrauen wiederzugewinnen, sondern eine Chance, gläubigen Katholiken wieder die Zuversicht zu geben, dass sie zu einer Gemeinschaft wirklich christlichen Lebens gehören.