Eine Glosse von Christian-A. Thiel

Sieger tragen Rot, behauptet der Wahrnehmungspsychologe Markus Raab von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Glaubt man ihm, hätten die Kicker Deutschlands (in Weiß-Schwarz) und Italiens (in Blau-Weiß) im Halbfinale der Europameisterschaft ein Problem. Mal abgesehen von dem kleinen roten Streifen in den Flaggen auf den Trikots. Italienische Sieger in Rot gibt es derzeit nur auf der Autorennstrecke.

"Die Farbe Rot ist evolutionär ein Angriffs- und Dominanzsignal", sagt Raab, sie schüchtere den Gegner unbewusst ein. Vielleicht wählte Manuel Neuer deshalb auch gegen die Griechen ein grelles rotes Trikot.

Der Psychologe stützt seine These auf Studien, nach denen Mannschaften und Einzelsportler häufiger in Rot gewinnen. Aber Manchester United, FC Liverpool und Arsenal haben Rot nun mal in ihren Vereinsfarben. Auch beim FC Barcelona, beim AC Mailand, bei Bayern München und in der Steinzeit des Fußballs auch beim HSV sahen die Gegner Rot. Allerdings wirkt Münchens Farbe seit Dortmunds gelbem Gipfelsturm ein wenig blass. Und der 1. FC Kaiserslautern ist mit seiner Art Rot sogar abgestiegen.

Die Spanier werden gern als rote Gefahr hingestellt, die den Weltfußball dominiert. Aber bis sie 2008 endlich wieder einen EM-Titel holten, mussten sie 44 Jahre warten. Und aufgepasst: Im Halbfinale dürfen heute die Portugiesen in Rot auflaufen.

Schon Jürgen Klinsmann, der mal mit roten Leibchen experimentierte, wusste: "Rote Trikots schießen keine Tore." Warum auch: Deutschland gewann alle sechs Welt- und Europameisterschaften in Weiß.