Eine Betrachtung von Matthias Gretzschel

Sie heißen Arnaldur Indriðason, Yrsa Sigurðardóttir, Þráinn Bertelsson, Viktor Arnar Ingólfsson, Árni Thórarinsson oder Ævar Örn Jósepsson, leben in Island und sind ausnahmslos mit mörderischer Fantasie gesegnet. Bisher konnte man sich auf sie und ihre vielen Kollegen mit ähnlich unaussprechlichen Namen verlassen: In Island gab es zwar bisher nur wenig reale Gewaltkriminalität, dafür war die Literatur umso gefährlicher. Ist doch ein erklecklicher Teil der rund 318 000 Isländer Krimiautor aus Berufung. "Kältezone", "Frostnacht" oder "Todeshauch" heißen typische Titel von Krimis, die isländische Autoren gern so schrieben, als ginge es auf ihrer einsamen Insel ähnlich grausam zu wie sagen wir in Schweden.

Bisher durfte man davon ausgehen, dass das alles nur ausgedacht war, ersonnnen und aufgeschrieben von sympathischen Insulanern an langen dunklen Abenden bei anhaltend schlechtem Wetter.

Doch jetzt scheint etwas passiert zu sein, denn der Nachschub bleibt aus. Seit Monaten gibt es keine neuen Island-Krimis. Kein "Gletschermord", kein "Runengrab", kein "Elfenblut" wird mehr in deutsche Buchhandlungen geliefert. Ist den Isländern die Fantasie ausgegangen oder liegt es vielleicht an der Finanzkrise? Gibt es womöglich echte Kriminalität, die die literarische überflüssig macht? Das wäre sehr schade, nicht nur für Island, sondern auch für uns - und für den deutschen Buchhandel.