Gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Staaten wären ein effektiver Schutz vor Angriffen der Finanzmärkte auf hoch verschuldete Länder

Auf dem G20-Gipfel in Mexiko sind die europäischen Regierungschefs von ihren Kollegen massiv aufgefordert worden, mehr zur Lösung der Euro-Krise zu tun als bisher. Das ist verwunderlich, da die Europäische Union seit zwei Jahren mehr finanzpolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht hat als jemals zuvor in ihrer Geschichte. Zwei Hilfsprogramme für Griechenland, der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Euro-Plus-Pakt, zwei Rettungsschirme und der Fiskalpakt sind ein schlagender Beweis für den Eifer und enormen Fleiß der europäischen Akteure.

Nun ist Fleiß zwar löblich, garantiert aber noch nicht den Erfolg. Das Abgleiten der südeuropäischen Länder in eine Rezession und der fulminante Anstieg der langfristigen Zinsen in Spanien auf sieben und in Italien auf sechs Prozent zeigen, dass der Erfolg trotz aller lobenswerten Anstrengungen der Euro-Länder bisher ausgeblieben ist. Wie ist das zu erklären?

Der Hauptgrund liegt darin, dass die internationalen Kapitalmärkte die oben genannten Einzelmaßnahmen für unzureichend halten, um die Euro-Krise zu lösen. Da mit modernen Finanzinstrumenten, wie zum Beispiel Derivaten oder Kreditversicherungen, auch Geld verdient werden kann, wenn man gegen einzelne verschuldete Länder wettet, wurden Schwachstellen in der Euro-Zone gesucht und gefunden. Dabei war der Kapitalmarkt immer schneller als die Regierungen. Zunächst wurden die enorm steigenden Zinsen in Griechenland mit den beiden Hilfsprogrammen bekämpft, dann verlagerte sich der Fokus der Kapitalanleger nach Portugal und Irland, die unter den Rettungsschirm schlüpfen mussten. Nun sind Spanien und Italien dran. Das Hase-und-Igel-Spiel ist immer zuungunsten der Regierungen ausgegangen. Daher muss jetzt nach einer ganzheitlichen Lösung gesucht werden, die den Ländern der Euro-Zone Zeit gibt, durch Strukturreformen Wachstum zu erzeugen, das eine Rückführung ihrer Schulden ermöglicht.

Mein Vorschlag hierfür ist die Verbindung des Fiskalpakts mit gemeinsamen Staatsanleihen (Euro-Bonds). Der Fiskalpakt und seine Unterzeichnung durch 25 EU-Staaten ist eine große Leistung von Angela Merkel, die hohen Respekt verdient. Er verpflichtet die Länder zu einem ausgeglichenen Haushalt als Verfassungsgrundsatz (sog. Schuldenbremse), legt einen Schuldenabbaumechanismus fest und bewirkt bei Verstößen automatische Sanktionen. Auf dieser Grundlage kann man Euro-Bonds nach folgendem Muster einführen: Die Anleihen werden von einer europäischen Finanzinstitution ähnlich dem ESM ausgegeben, jedoch nur für die Länder, die den Fiskalpakt ratifizieren (und einhalten!).

Hierfür gibt es im Wesentlichen zwei verschiedene Modelle: Der Sachverständigenrat schlägt vor, für Schulden, die über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hinausgehen, einen gemeinsamen europäischen Schuldentilgungsfonds zu bilden, der über einen Zeitraum von 25 bis 30 Jahren getilgt wird. Für die Anleihen dieses Fonds haften die Euro-Länder gemeinschaftlich. Das zweite Modell sieht spiegelbildlich vor, dass die Schulden bis zu 60 Prozent des BIP durch gemeinsame europäische Staatsanleihen mit gemeinschaftlicher Haftung finanziert werden. Für die darüber hinausgehenden Schulden haften die Länder individuell.

Beide Modelle sind geeignet, doch bevorzuge ich das zweite, weil Euro-Bonds nur bis zu der im Vertrag von Maastricht vorgesehenen Grenze von 60 Prozent des BIP ausgegeben werden. Leider ist die Diskussion über Euro-Bonds häufig parteipolitisch verengt und manchmal realitätsfern. Das Hauptargument der Gegner, die Staaten würden durch Euro-Bonds zum Schuldenmachen verführt, wird durch den Fiskalpakt und die 60-Prozent-Grenze klar widerlegt.

Hauptvorteil der Euro-Bonds ist der Schutz aller Euro-Staaten durch eine gemeinsame Mauer, sodass kein einzelnes Land mehr durch Hedgefonds und Ähnliches angegriffen werden kann. Darüber hinaus entsteht ein riesiger, mit dem US-Markt vergleichbarer europäischer Anleihemarkt von etwa sieben Billionen Euro, der durch seine hohe Liquidität Kapitalanleger weltweit anziehen wird und dadurch zu relativ niedrigen Zinsen führen kann.