Pröpstin und Hauptpastorin Dr. Ulrike Murmann, St. Katharinen

"Geh mir aus der Sonne!" Dieser berühmte Satz stammt aus einer Begegnung Alexanders des Großen mit Diogenes. Der Feldherr war zu dem griechischen Philosophen gegangen, weil er ihm einen Wunsch erfüllen wollte. Auf seine Frage: "Was kann ich für dich tun?" antwortete Diogenes nur diesen einen Satz: "Geh mir aus der Sonne!" Mehr brauchte er nicht zum Glück, seine Tonne und die Sonne. Faszinierend bedürfnisarm, so ein Philosophenleben.

In den kommenden Wochen wird dieser Satz an manchem Strand, See, im Schwimmbad oder Sonnenstuhl fallen - denn viele Menschen sehnen sich danach, einfach nur in der Sonne zu liegen, zu lesen, zu entspannen. Endlich Sommerferien: Das Schuljahr ist vorbei, die Arbeit kann ruhen, was nicht erledigt wurde, bleibt liegen. Wir nehmen eine längere Atempause und schalten in den Entspannungsmodus. Scheint dazu die Sonne, fällt das noch leichter.

Wie wichtig Licht für uns ist, das spürt besonders, wer in diesen hellen Tagen Schweres durchleiden muss. Wer einen geliebten Menschen verliert, Abschied nehmen muss, sich einsam fühlt und traurig ist, hat keine Augen für die Sonne, dem ist das Licht verstellt. In ihm ist es finster, ein Schatten liegt über seiner Seele, sie wird nicht frei, sondern scheint gefangen in einem Netz aus Schwermut und Trübsal. Die Erfahrung sagt uns: Trauer braucht Zeit, erst die Zeit heilt alle Wunden. Doch der Glaube kennt noch eine andere Wahrheit: Die Finsternis ist nicht finster bei Gott, denn Gott ist Licht. Sein Licht gibt einen hellen Schein in alle Herzen. Das ist sehr tröstlich, wenn wir uns aus eigener Kraft aus innerer Dunkelheit nicht befreien können. Dann brauchen wir die Hilfe anderer und die Hilfe des Glaubens. Dem göttlichen Licht kann die Finsternis nichts entgegensetzen. Wenn es erscheint, verschwindet sie auch aus uns. Sein heller Schein richtet uns wieder auf.

Eine Ahnung von diesem Licht kann uns in diesen Tagen die Sonne vermitteln, die nicht untergehen will, sondern die Nächte weiß und hell machen wird. Machen wir es also wie Diogenes und schieben beiseite, was dem Licht im Wege steht.

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