Der 51-jährige Wladimir M. steht wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Hamburg. Ein undurchsichtiger Fall – das Opfer will schweigen.

Hamburg. Seine Familie hält zu ihm. Trotz allem. Ausgerechnet jene, auf die es in diesem Prozess entscheidend ankommt, wollen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Die Tochter des Angeklagten und sein Sohn, sogar das mutmaßliche Opfer, die Ex-Ehefrau des Angeklagten - sie alle wollen schweigen. Gut für Wladimir M., schlecht für die Wahrheitsfindung. Mehr als fraglich ist deshalb, ob das Landgericht aufklären kann, was sich am 11. Februar im Schlafzimmer der Eheleute Wladimir und Mila M. abgespielt hat.

Angeklagt ist Wladimir M. wegen versuchten Mordes. Laut Staatsanwaltschaft drückte er gegen 23 Uhr seiner arglos auf dem Ehebett liegenden Frau in Erstickungsabsicht ein Kopfkissen auf das Gesicht. Mila M. konnte das Kissen wegreißen, dann setzte sich der Angeklagte auf sie, steckte ihr zwei Finger in die Nase und hielt ihr mit der anderen Hand den Mund zu. Dabei trug er Einweghandschuhe. Erst als ihre Tochter Lilja, 27, das Zimmer betrat, ließ Wladimir M. von seinem Opfer ab. Mila M. hatte bereits Staublutungen in der Augenbindehaut und der Mundschleimhaut erlitten.

Mit dem undurchsichtigen Fall beschäftigt sich seit Mittwoch das Landgericht. Wladimir M., ein kleingewachsener, untersetzter Mann, könnte seinen Teil zur Aufklärung beitragen, doch auch er schweigt. Bislang. "Möglicherweise wird er später Angaben machen", sagte seine Verteidigerin.

Vor dem Haftrichter stritt er die Tat im Februar 2012 noch rundweg ab. Er habe ein Gurgeln aus dem Schlafzimmer gehört, erzählte er damals. Und dort habe er gesehen, wie seine Frau, die "gerne mal einen über den Durst trank", würgte und spuckte, da habe er ihr einen Eimer ans Bett gebracht. Er habe aber nicht auf ihr gesessen und auch nicht versucht, sie zu ersticken. Die Einweghandschuhe habe er getragen, weil er "sauber machen" wollte. Es gibt indes Zweifel an dieser Version: Offenbar war das Verhältnis zwischen den Eheleuten derart zerrüttet, dass Wladimir M. aus der gemeinsamen Wohnung in Bergedorf ausziehen sollte. Seit Anfang Juni sind die Eheleute geschieden.

Für den 51-Jährigen, der 2001 mit seiner Familie von Russland nach Hamburg ausgewandert war, steht viel auf dem Spiel. Per Gesetz kann ein versuchter Mord geahndet werden wie ein vollendeter, also mit lebenslanger Freiheitsstrafe. Die Strafe kann bei einem Versuch aber deutlich gemildert werden. Ins Gefängnis käme Wladimir M. trotzdem - mindestens für drei Jahre.