Hannelore Kraft, gestern als NRW-Ministerpräsidentin wiedergewählt, steht für einen neuen Regierungsstil - und der wird weiblicher

Wenn das Publikum die Darsteller auf der politischen Bühne bestimmen dürfte, dann wären nächstes Jahr beide Hauptrollen im Duell um die Kanzlerschaft von Frauen besetzt: Angela Merkel gegen Hannelore Kraft, die gestern auch mit Stimmen aus der Opposition als Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen wiedergewählt wurde.

Durch ihren Sieg bei der NRW-Wahl ist sie in den Umfragen an den drei Herren der SPD-Troika vorbeigezogen. Wenn Steinbrück, Steinmeier und Gabriel demnächst die Kanzlerkandidatur unter sich vergeben, wird die Entscheidung von jener Frage überlagert werden, die man aus amerikanischen Wahlkämpfen kennt: Why not the best? Also, warum nicht Kraft, die triumphale Siegerin?

Hannelore Kraft als Chefin und Moderatorin der drei männlichen SPD-Schwergewichte, das könnte ein Erfolgsteam sein. Schließlich hat auch Angela Merkel in der Großen Koalition in dieser Konstellation, vor allem unterstützt von Steinmeier und Steinbrück, zu ihrem Kanzler-Format gefunden. Merkel ist inzwischen als Kanzlerin und CDU-Vorsitzende in der Union konkurrenzlos. Und wenn einmal ihre Nachfolge ansteht, dann bietet sich wieder eine Frau an: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Die ist nicht so unumstritten wie Merkel, aber an politischem Profil und politischem Gestaltungswillen den Männern in der CDU voraus.

Merkel, Kraft, von der Leyen - sind Frauen doch bessere Politiker als Männer? Haben sie eine spezifisch weibliche Methode, Politik zu machen? Oder gibt es am Ende doch nur gute oder schlechte Politik, ganz gleich, von wem sie gemacht wird? Immerhin ist das Talent der drei Spitzenfrauen von Männern (Kohl, Clement, Wulff) erkannt und gefördert worden.

Eine Gemeinsamkeit fällt in den Lebensgeschichten von Merkel, Kraft und von der Leyen auf, die es ihnen wohl erst ermöglicht hat, an Männern vorbeizuziehen. Alle drei haben erst andere Berufe (Physikerin, Ärztin, Unternehmensberaterin) ausgeübt. Alle hatten so die Chance, sich die Mechanismen in dem von Männern mit festen Karriereplänen dominierten Politikbetrieb bei ihrem Einstieg mit Distanz anzusehen und kluge Schlüsse zu ziehen.

Diese Schlüsse sind allerdings höchst unterschiedlich. Angela Merkel hat die machtbewussten Männer, die ihr beim Aufstieg im Weg standen, genau studiert und irgendwann wohl festgestellt: Wenn es drauf ankommt, bellen sie nur, aber beißen nicht. Merkel hingegen bellt nicht, sie beißt nur. Ihre Art, Macht auszuüben, hat inzwischen nichts mehr an sich, was man als speziell weiblich bezeichnen könnte.

Ursula von der Leyen setzt zwar in ihrem Auftreten weiblichen Charme ein, aber ihr Lächeln wird oft als "Kampflächeln" beschrieben. Sie macht Politik, wie sie auch ein kluger Mann machen sollte: Themen setzen, polarisieren, debattieren, Profil gewinnen.

Hannelore Kraft hat am ehesten von den dreien einen weiblichen Politikstil entwickelt: Mit ihrer grünen Partnerin Sylvia Löhrmann machte sie ihre Minderheitsregierung so geschickt als "Koalition der Einladungen" sympathisch, dass es nun bei der Neuwahl zur eigenen rot-grünen Mehrheit reichte. Gegen das volksnahe Duo Kraft/Löhrmann hatte der glatte CDU-Karrieremann Norbert Röttgen keine Chance.

Ob Frauen grundsätzlich bessere Politiker als Männer sind, das mag umstritten bleiben. Es reicht ja, was die Beispiele Merkel, Kraft und von der Leyen beweisen: Gute Frauen machen gute Politik. Die drei von CDU und SPD haben es ohne Quoten-Regelung ganz nach oben geschafft. Aber auch die Frauen-Quote, etwa bei den Grünen, hat schon zu überzeugenden Ergebnissen geführt. Welcher Mann hätte dort Renate Künast und Claudia Roth ersetzen können?

Es werden auch wieder Männer an die Spitze der Meinungsumfragen und ins Kanzleramt kommen. Eine Männerdomäne, in der sich nur gelegentlich mal eine Ausnahmefrau durchbeißt, wird die deutsche Politik aber nie mehr werden. Die klassisch "männliche" Vorgehensweise, Probleme durch strikte Führung zu bewältigen, vermischt sich immer mehr mit traditionell "weiblichem" Verhalten: zuhören, ausgleichen, Gefühle mit einbeziehen. Ein guter Politiker, ob Frau oder Mann, wird künftig beides beherrschen müssen.