In drei Sekunden beschleunigen von null auf hundert. 50 Unternehmen beteiligen sich an dem Projekt der Hamburger Studenten.

Hamburg. Höhere Motorenleistungen, aerodynamische Vorteile, größere Belastbarkeit - der Rennsport lebt von der technologischen Weiterentwicklung. Doch während die Rennställe der Formel 1 auf jahrelang angehäuftes Wissen zurückgreifen können, haben die Studenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) "keine Ahnung von Wagenbau" und wollen dennoch den ersten elektronisch angetriebenen Rennwagen Hamburgs auf die Räder stellen. Im August soll er bei der Formula Student Electric auf dem Hockenheimring gegen andere Uniflitzer aus der ganzen Welt antreten.

"Wir wollen zeigen, dass Umweltverträglichkeit und Fahrspaß keine Gegensätze sind", sagt Flugzeugsystemtechnikstudent Hauke Becker. Das noch fehlende Know-how im Wagenbau sieht er nicht als Nachteil an. Schließlich solle es nicht nur darum gehen, den schnellsten Wagen zu entwickeln, sondern auch ökonomisch zu fahren. Zudem sollen neueste Studienerkenntnisse einfließen. Denn Punkte wird es später nicht nur für die schnellste Zeit, sondern auch für die besten Ideen zur Effizienzsteigerung geben. So wird der Elektrorenner mit einer Oberfläche ähnlich der Haifischhaut überzogen sein, um ihn windschlüpfriger zu machen. Eine Antriebswelle aus Faserverbundwerkstoff und Nanoröhrchen wird während der Fahrt Belastungsdaten messen und weitergeben. "Damit kommt internationale Spitzenforschung im Hamburger Rennwagen zum Einsatz", sagt Professor Karl Schulte, Leiter des Instituts für Kunststoffe und Faserverbundwerkstoffe an der TUHH.

Rund 300 Kilo wird der Bolide wiegen und mit 85 Kilowatt Leistung auf 120 Kilometer in der Stunde (km/h) beschleunigen. "Der Wagen wird aus Effizienz- und Sicherheitsgründen gedrosselt sein", sagt Becker. Eigentlich könne das Auto in drei Sekunden von null auf hundert beschleunigen und bis zu 200 km/h schnell fahren. Was zuerst wie ein Traum großer Jungs anmutet, soll die Forschung der TUHH auf lange Sicht beflügeln: "Wir haben das Projekt auf zehn Jahre angelegt, sodass auch nachfolgende Studenten am Wagen forschen können", sagt Hauke Becker.

Im Mai 2011 hatten sich 50 TU-Studentinnen und Studenten aus den verschiedensten Fachbereichen im Team e-gnition Hamburg zusammengeschlossen. Gemeinsam entwickelten sie ein Konzept für einen Rennwagen und dessen Antrieb. Daneben gründeten sie Gruppen, die sich auch um Marketing und Finanzierung des Elektrofahrzeugs kümmerten. "Wir haben hier die tolle Möglichkeit in fachfremde Bereich hineinzuschnuppern, die uns näher an den Alltag von Unternehmen heranführen", sagt Werkstofftechnikstudent Mauritz Müller, der im Projekt den Finanzvorstand und den Konstruktionsleiter in Personalunion gibt.

Derzeit wird der Rahmen des Fahrzeugs in Bergedorf verschweißt. Die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Nord, die den Studenten hilft, ist nur eines von rund 50 Unternehmen, die das Projekt unterstützen. "Das Engagement reicht von Spenden, über Wissensaustausch bis zur Fertigung von Bauteilen", sagt Müller über die Firmen, von denen viele aus der Region kommen. Hauptsponsor ist der Chipspezialist NXP, der seinen deutschen Hauptsitz in Lokstedt hat und die gesamte elektronische Steuerung des Wagens stellt. "Wir hoffen in dem Prototypen später auch weitere Technologien testen zu können", sagt Lars Reger, Leiter der Forschung der Automobilsparte bei NXP. So sollen einmal eine energieeffiziente LED-Beleuchtung, Audioverstärker oder Radar zur Unfallvermeidung im Auto verbaut werden.

Bei NXP sei man begeistert von der Zusammenarbeit mit den Studenten, sagt Reger und macht deshalb ein scherzhaftes Angebot mit durchaus ernstem Hintergrund: "Wir suchen noch 30 Ingenieure, die TU-Studenten können gleich hierbleiben."