Sportmoderator Gerhard Delling ist das Gesicht des Fußballs in der ARD. Doch der Mann mit dem Lausbubenlächeln kann noch viel mehr.

Hamburg. Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für diese Stadt leisten, in Hamburg als Vorbilder gelten. Folge 38: Gerhard Delling, Sportmoderator der ARD. Er bekam den roten Faden vom Physikprofessor und Grundlagenforscher Andrea Cavalleri.

Gerhard Delling ist so ein Mann, dem man einiges zutrauen würde. Weil er Ruhe ausstrahlt, ohne dabei schläfrig zu wirken; weil er interessiert ist, ohne dass das aufgesetzt wirkt. Er wäre der Mann, auf den die Arbeiter bei der Not-Evakuierung einer Bohrinsel hören würden, der ein Passagierflugzeug irgendwie sicher auf den Boden bringen könnte oder einer Gebärenden während einer Autobahnvollsperrung helfen könnte. Kurzum: Delling, 53 Jahre alter Moderator mit dem Lausbubencharme eines ewig 14-Jährigen, kann sicher mehr, als der Fernsehzuschauer weiß.

Mehr als "nur" Fußballspiele kommentieren, Gespräche mit Sportlern moderieren. Das betont er auch wiederholt im Interview. "Ich interessiere mich genauso für Politik und Wirtschaft", sagt er, "an unserer Wirtschafts- und damit am Ende auch Gesellschaftsordnung müssen wir etwas ändern. Ich bin fest davon überzeugt, dass an den Stellschrauben gedreht werden muss." Auch das Thema Nachhaltigkeit treibe ihn um, der ökologische Gedanke, das Wissen um erneuerbare Energien.

"Jeder von uns kann selbst ganz viel dazu beitragen, z. B. seinen PC und sein Handy nicht die ganze Nacht laufen lassen. Mit einem neuen Bewusstsein könnten wir uns sicher ein Kernkraftwerk sparen", so Delling.

Er lehnt sich in seinen tiefen Sessel im Golfhotel Treudelberg zurück, zieht am Stoff seines schwarzen Anzugs auf Höhe des Knies. Breitbeinig sitzt er dabei da. So, als ob gleich Anpfiff wäre und er mit seiner Mannschaft raus auf den Fußballplatz müsse. Denn auch wenn es viele Facetten an Gerd Delling gibt: die mit dem Ball ist doch sehr ausgeprägt. Seit seiner Kindheit beschäftigt er sich mit Fußball.

Zu Hause, im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf, kickte er mit seinen Freunden, "erst vor dem Haus, dann gegen die Jungs von der Straße gegenüber, dann auf den Bolzplätzen der Region", sagt Delling. Er spielt später im Verein als Linksaußen, "oder ,Linksdraußen'", wie er einwirft und dabei kurz lacht, da auf dieser Position immer als Erstes gewechselt wurde, wenn die Mannschaft zurücklag. Obwohl er doch immer nur da sein wollte, wo der Ball war.

Manchmal kam ihm sein vorzeitiges Spielende allerdings zupass, denn schon in diesen Zeiten - Delling ist 16 Jahre alt - schreibt er für die örtliche Tageszeitung. Fußballberichte natürlich. "Ich habe immer schon gern geschrieben, darüber bin ich mit meinem damaligen Trainer ins Gespräch gekommen, der dieses Faible teilte und mir zu dem Job bei der Zeitung verhalf," sagt Delling. Journalismus und Fußball hatten es ihm angetan. Donnerstags telefonierte er die Vereine der Umgebung ab, fragte nach Verletzungen, der möglichen Aufstellung und anderen Neuigkeiten, sonnabends setzte er sich nach seinem Spiel aufs Fahrrad und fuhr in die Redaktion nach Rendsburg. Zehn Pfennig verdiente er pro Zeile. "Das war sensationell, ich war finanziell unabhängig." Und auch, wenn seine Eltern die Eigenständigkeit des Sohnes schätzten, so hätten sie ihn doch gern öfter gesehen. "Aber das war bei mir schon immer so: Zeit meines Lebens hatte ich meist keine Zeit", sagt Delling, der den sieben Kilometer langen Schulweg von Büdelsdorf nach Rendsburg täglich radelte, dann auch noch Leichtathletik machte und, so oft es ging, seine Freunde traf.

Weiter ging es in diesem Tempo nach dem Abitur 1980 an der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Doch natürlich studierte er hier nicht einfach Volkswirtschaftslehre und Politologie. Nein, Delling trat in die Fußball-Unimannschaft ein, arbeitete weiter für die Zeitung, wurde dazu freier Mitarbeiter beim NDR Hörfunk. "Ruhen und auch genießen ja, aber Leerlauf mag ich einfach nicht", so seine Begründung. Und mit seiner nächsten Aussage wird deutlich, dass er kein gehetzter Charakter ist, der sich keine Ruhe gönnen will, sondern einfach ein Mensch, der vielseitig interessiert ist. "Wir wissen doch alle so wenig, es gibt so viel, was wir nicht wissen. Manchmal denke ich, ich hätte Forscher werden sollen. Die bewundere ich, denn die arbeiten auf einem Gebiet, auf dem nie ein Ende erreicht ist."

Doch ist es dann nicht fast kontraproduktiv für einen Charakter wie ihn, extrem viel Zeit auf die Analyse von 90-minütigen Fußballspielen zu verwenden, die sich doch nicht unglaublich voneinander unterscheiden? Er verneint vehement mit Kopfschütteln, sodass er danach die Haare mit der Hand wieder in Form bringen muss. "Es gibt kein Spiel, das gleich ist. Der Spannungsbogen ist immer anders. Das zieht mich noch heute in seinen Bann", sagt Delling.

Und zu seiner Arbeit als Reporter und Moderator gehörte sowieso von Anfang an mehr: Kaffee kochen, Regie führen, schneiden, moderieren. "Das ist wie bei einem Klavier, man muss jede Taste spielen können." Seine Schule war der NDR und nach dem Studium der Südwestfunk in Baden-Baden. Hier war er "Sportschau"- und "Sport Extra"-Reporter. Lernte viel, wie er sagt. Er fuhr zu den Olympischen Spielen nach Barcelona, Sydney und Salt Lake City. Heftig sei er damals intern kritisiert worden. "Sehr hart, aber immer wusste ich, dass da auch größtes Wohlwollen dabei ist. Rudi Michel und Armin Hauffe - meine Chefs - wollten, dass aus mir etwas wird", sagt Delling. "Tolle Charaktere, die mich immer weitergebracht haben.

Das gilt auch für Günter Netzer." Mit diesem seinen Siezfreund und Trauzeugen zur zweiten Ehe mit Journalistin Isabelle wird er von 1998 an dem breiten Fernsehpublikum ein Begriff: Bis 2010 moderiert er gemeinsam mit dem ehemaligen Nationalspieler Fußball-Länderspiele. Die beiden sind längst Legende: Für ihre bissig-persönliche Doppelmoderation erhielten sie im Jahr 2000 den Adolf-Grimme-Preis und 2008 den Medienpreis für Sprachkultur. Delling ist eben mehr als "nur" Sportreporter. Und so moderiert er neben der "Sportschau" auch die "NDR Talkshow", "Dellings Woche", das Medienmagazin "Zapp" und (als Vertretung) die "Tagesthemen". Seit April 2011 ist er Chefmoderator des ARD-Magazins "Wochenspiegel" und präsentiert im Wechsel mit Kollegen den NDR-"Sportclub".

Und natürlich ist er im Juni bei der Fußball-EM dabei. "Darauf freue ich mich wirklich, das ist wieder ein Höhepunkt. Solche Großereignisse haben immer einen festlichen Charakter, jeder Journalist bereitet sich noch ein bisschen mehr vor, man trifft Leute, die man seit Jahrzehnten kennt", sagt Delling. Zehn Tage hat der Vater dreier Töchter und eines Sohnes danach Familienzeit in Duvenstedt, dann geht es zu den Olympischen Sommerspielen nach London. Ein Zeitplan, ganz nach Dellings Geschmack, ohne zu viel Leerlauf, mit vielen Begegnungen.

Und auch danach wird ihm nicht langweilig werden, arbeitet er doch an einem Buch über 50 Jahre Bundesliga und hat die Idee zu einem Familienroman im Kopf. Seine stetige Arbeitslust ist vielleicht auch mit ein Grund dafür, dass man den Fernsehmann nur selten auf Events trifft. "Zeit ist für mich ein wichtiger Faktor, deshalb gehe ich nicht so oft auf Veranstaltungen. Aber wenn, dann bin ich gern da, vor allen Dingen, wenn interessante Leute, die etwas zu sagen haben, dabei sind", sagt er. "Aber ich will auch nicht nur ein öffentlicher Mensch sein, es macht mir nichts aus, wenn ich erkannt werde und die Leute ein Foto machen wollen. Aber natürlich gibt es auch Augenblicke, in denen ich gern unbeobachtet wäre", sagt er und schiebt lachend nach: "Deshalb leiste ich es mir, dass ich ab und zu echt schlecht aussehe, wenn ich rausgehe."

Doch das fällt wohl niemandem auf. Denn sein Lausbubenlächeln hat er doch immer dabei.

Gerhard Delling reicht den roten Faden in der kommenden Woche weiter an Hauptpastorin Ulrike Murmann. Er sagt: "Sie ist authentisch und euphorisch in ihrem Glauben, sie kennt viele Details und hat eine unglaubliche Ausstrahlung."