Die umstrittene Vergünstigung schafft Nachteile für Umwelt und Geringverdiener. Besser wäre eine Steuersenkung für alle

Viele glauben, die Pendlerpauschale sei gerecht und unverzichtbar. Arbeitende mit kleinem Einkommen seien auf die Pendlerpauschale angewiesen, um noch mehr Netto von ihrem Lohn für harte Arbeit zu haben, als Hartz-IV-Empfänger ohne zu arbeiten erhalten. Richtig ist jedoch das Gegenteil.

1. Die Pendlerpauschale ist ungerecht, denn sie entlastet gut Verdienende stärker als gering Verdienende: Wer viel verdient, zahlt dank Pendlerpauschale jährlich bis zu 1890 Euro weniger Steuern. Wer weniger als 8000 Euro pro Jahr verdient, zahlt eh keine Steuern. Hier bringt die Pauschale gar nichts. Das Gleiche gilt für Auszubildende, Kurzzeitarbeitende und viele (Ältere), die ihre geringen Einkommen oder Renten mit Gelegenheitsjobs aufstocken. Ausgerechnet wer wenig verdient, muss alle Pendlerkosten alleine tragen!

Um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, sollte das Finanzamt allen Pendlern einen für alle gleich hohen Bar-Scheck pro Jahr schicken (oder bei Einkommen oberhalb des Steuerfreibetrags einfachheitshalber mit der Steuerschuld verrechnen).

2. Die Pendlerpauschale privilegiert Pendler gegenüber anderen Erwerbstätigen: Pendeln ist nur eine von vielen Notwendigkeiten für einen Job. Viele andere Anstrengungen sind ebenso unverzichtbar. Eine objektiven Kriterien folgende Trennung von beruflich und privat veranlassten Aufwendungen ist unmöglich. Niemand kann ausrechnen, ob das morgendliche Joggen, das gesunde Frühstück, die tägliche Zeitungslektüre, die Rückenmassage, das elegante Businesskleid oder der Fremdsprachkurs nur privatem Vergnügen dienen oder eben genutzt werden, um im Job maximal leistungsfähig zu sein. Wieso hebt das Steuergesetz das Pendeln so privilegiert heraus? Wieso nicht auch Ausgaben für Gesundheit, Bildung, Sport, Sprachkurse, Kleiderkosten oder Lektüre abzugsfähig machen?

Wenn es richtigerweise darum geht, das Nettoeinkommen und nicht die Bruttoeinnahmen zu besteuern, muss das für alle gelten, nicht nur für Pendler. Dann sollen alle in den Genuss des Abzugs aller Werbungskosten kommen. Ist das aufgrund der Abgrenzungsprobleme zu schwierig, sollte die für alle Erwerbstätigen geltende Pauschale für Werbungskosten nach oben gesetzt werden. So würden alle weniger Einkommenssteuern bezahlen.

3. Die Pauschale fördert den Auto-Individualverkehr und konterkariert eine ökologische Wende: Wer mit dem Auto zur Arbeit fährt, verschmutzt die Umwelt und erzeugt Emissionen klimaschädlicher Gase. Die Pendlerpauschale widerspricht so Einsparungs- und Effizienzbestrebungen zur Minderung fossilen Energieverbrauchs. Und sie läuft Bemühungen zur Reduktion von CO2-Emissionen zuwider. Schließlich fördert sie für Gutverdienende Abwanderungstendenzen in die Peripherie und verursacht damit eine Zersiedelung der Landschaft. Wer aus der Stadt aufs Land zieht, zahlt weniger für mehr Wohnraum. Wieso soll er zusätzlich Steuern sparen. Geld, das dem Fiskus fehlt, um Verkehrstechnologien anzuschieben oder Anreize zum Umsteigen auf Busse und Bahnen oder CO2-emissionsarme Verkehrsträger zu finanzieren?

Ja, es gibt Einzelfälle, die der Arbeit wegen zum Fern-Pendeln gezwungen werden. Ihnen soll direkt geholfen werden. Dafür braucht es keine Pendlerpauschale für alle. Es wäre effizienter, vorübergehende staatliche Mobilitätshilfen nur gezielt an Fern-Pendler zu leisten. Und nicht dauerhafte Privilegien aller Pendler zu schaffen, also auch jener, die aus ganz anderen Gründen das Auto nutzen, oder für jene, die eine solche Privilegierung nicht rechtfertigen, weil sie von günstigen Grundstückspreisen, Eigenheimkosten und Mieten im Grünen profitieren.