Politik will die Fundamentreste vom Torhaus des Harburger Schlosses dauerhaft sichern und dann für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Harburg. Man merkt Elke Först die Freude auf den ersten Blick nicht an. Gerade eben hat Grabungstechniker Mustafa Altun ihr eine größere Scherbe mit brauner Glasur und dreckverschmierten Schriftzeichen hingehalten. Die Denkmalpflegerin streicht vorsichtig mit dem Finger darüber. Dann lächelt sie. Das Teil gehört wohl zu einem Teller, der fast 400 Jahre alt sein dürfte.

Jetzt, Ende April 2012, weht der kalte Wind auf der Harburger Schlossinsel vom Norden her. Die frisch gepflanzten Bäume für den künftigen Park zeigen erstes zartes Grün. Kiesbeladene Laster rollen heran. Ein tonnenschwerer gelber Bagger mit riesiger Schaufel steht drohend am Rand des Ausgrabungsfelds - so, als warte er nur.

"Eigentlich haben wir keine Zeit", sagt Elke Först. Auf Harburgs Schlossinsel wird gerade an allen Ecken und Enden gebaggert und gegraben, werden Fundamente geschüttet und Neubauten hochgezogen. Vor nicht mal einer Woche wurde die erste Musterluxuswohnung "Marina auf der Schlossinsel" der Öffentlichkeit präsentiert. Hier entsteht eine HafenCity im Kleinen.

Allerdings liegt hier auch der Ursprung von Harburg - die Horeburg. Eine Sandaufschüttung inmitten einer Sumpflandschaft sei wohl der geeignete Ort gewesen, eine Art Wehrturm zu errichten, erzählt Elke Först. Entlang des zur Burg führenden Knüppeldamms sei in den folgenden Jahrhunderten dann der Ort entstanden.

Die wechselvolle Geschichte - aus dem Wehrturm wurde ein Schloss und während des Dreißigjährigen Krieges eine Zitadelle - lasse sich sehr gut an den Ausgrabungen nachvollziehen, sagt Först. Bezirksamtsleiter Thomas Völsch spricht von der "baulichen Gründungsurkunde Harburgs" und will jetzt Teile des Geländes sichern und für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Dieses Anliegen beschäftigte am Dienstag auch die Harburger Bezirksversammlung. Die SPD-Mehrheitsfraktion plant im Schulterschluss mit der FDP einen Standort im Binnenhafengebiet, ähnlich gestaltet wie das Bischofsturm-Forum des archäologischen Museums am Speersort. Gesucht werden jetzt Investoren oder öffentliche Mittel. "Zwar ist das Geld für die Grabung vorhanden, gleichwohl müssen wir Geld auftreiben, um die historischen Funde zu präsentieren", sagte der Vorsitzende des Kulturausschusses, Heinz Beeken. Seine Pläne sehen zudem vor, an diesem Ort die historische stadtgeschichtliche Sammlung unterzubringen, die derzeit in einer Halle am Binnenhafen lagert.

Auch Bezirksamtsleiter Völsch kann sich kaum einen geeigneteren Ort vorstellen, als den, wo einst das Torhaus des Schlosses stand. Wer heute hier steht, braucht einen Moment, sich beim Betrachten der Ausgrabungen zurechtzufinden. Riesige Findlinge bilden einen Sockel, der, so erzählt es Elke Först, auf in den Sumpf getriebenen Holzpfählen ruht. Über dem Sockel angeordnete Ziegelmauern lassen erahnen, welchen Grundriss das darauf stehende Gebäude gehabt haben mag.

+++ Harburgs ersten Bewohnern auf der Spur +++

Faszinierend ist die unlängst freigelegte mittelalterliche Wasserleitung. Von den Harburger Bergen sei frisches Wasser über unterirdisch verlegte, ausgehöhlte und durch ein Stecksystem verbundene Baumstämme bis zum Brunnen des Schlosses geleitet worden, erzählt Elke Först.

Unterstützung erhalten die Harburger von Oberbaudirektor Jörn Walter. "Die Funde auf der Harburger Schlossinsel sind wirklich beeindruckend", sagt er. Wie sie gesichert werden könnten, müsse mit dem Helms-Museum besprochen werden. "Gesichert werden sollten sie unbedingt."

Das alles jedoch braucht seine Zeit, und die ist - gerade auf dem Bau - Geld. Die Archäologen bringt das in eine schwierige Situation. Gerade sind Mustafa Altun und seine drei Mitstreiter dabei, Stück für Stück einen Ziegelfußboden aus dem 16. Jahrhundert freizulegen. Vorsichtig setzen sie Schaufel und Spachtel an, um Sand und Geröll zu entfernen. Rote und gelbe Ziegel kommen zum Vorschein. "Auf der anderen Seite der Mauer geht es weiter", sagt Altun und fügt hinzu: "Wir werden ein paar Tage mehr benötigen." Elke Först hat verstanden. "Ich werde anrufen", sagt sie und meint wohl den Investor.