Das frisch gezapfte Bier trug eine königliche Blume, die Frikadelle war hausgemacht, der Klönschnack weltbewegend. Wie immer also. Fast. Denn der gestrige Abend in der Dieze hatte für Bernd Oltmanns einen bitteren Beigeschmack: Nach mehr als 50 Jahren schließt die legendäre Eckkneipe am Grindel. Die Miete sollte erheblich steigen, zudem lief der Pachtvertrag aus. Nicht nur der 66 Jahre alte Oberstudienrat verliert so etwas wie ein zweites Zuhause.

Dass die Getränke unmittelbar vor dem Zapfenstreich dennoch schmeckten, basiert auf einer Eigeninitiative der Stammgäste: Oltmanns und Mitstreiter greifen privat in die Tasche, um der Pinte neues Leben einzuhauchen. Ende Juni soll die Dieze auferstehen - in einem Keller schräg gegenüber. Das Prinzip der Aktion, die einer Selbsthilfegruppe ähnelt: Ein Teil der künftigen Zeche wird im Voraus gezahlt. Als Startkapital für den Wirt.

Somit ist Rettung nahe. Für den gebürtigen Bremerhavener Oltmanns, der sein Studium zeitweise an den Tresen verlegte, für Ehefrau Liliane, mit der er dort schon Ende der 60er-Jahre Einkehr hielt, für alle anderen gepflegten Schluckspechte, die das urige Umfeld und die süffige, gediegene Atmosphäre des Refugiums in der Rappstraße zu schätzen wissen.

Als gestern Abend das finale "Prosit!" erklang, hieß es folglich auch: "Bis bald!"