Stellingen. Ede hat zwei Dinge immer dabei: seinen Panzer und seine Bande. Die naheliegende Schlussfolgerung, Ede könne zu einer Panzerknackerbande gehören, bewahrheitet sich jedoch nicht. Ede ist ein sieben Zentimeter langer Fisch, dessen kriminelle Energie sich darauf beschränkt, unschuldige Mückenlarven zu fressen.

Mit Panzer werden beim Orangeflossen-Panzerwels die kleinen Knochenplatten bezeichnet, die er statt Schuppen unter einer Schleimschicht trägt, verrät Florian Ploetz. Der Tierpfleger in Hagenbecks Tropen-Aquarium ist unter anderem zuständig für das Südamerika-Becken, das einen Ausschnitt aus dem Amazonas-Flusslauf simuliert.

Dort lebt Ede mit seiner Bande aus rund 40 Artgenossen, vielen verschiedenen Salmlerarten und Skalaren in einer grünen Unterwasserhölle. Dafür sorgen Pflanzen mit so klangvollen Namen wie Brasilianischer Wassernabel oder Rotes Papageienblatt. Orangeflossen-Panzerwelse sind im Süßwasser lebende Schwarmfische aus dem Amazonas-Gebiet, die sich überwiegend am Boden aufhalten. Hier gründeln sie mit ihren typischen Welsbarteln - schnauzbartartige Anhänge des Kopfes, die dem Fisch als Geschmacksorgane dienen - nach kleinen Wasserlebewesen wie Wasserflöhen oder Mückenlarven. "Sie sind richtige kleine Staubsauger, drücken sich flach am Boden entlang und gucken, was sie noch verwerten können", sagt Ploetz. Gezielt gefüttert würden sie nicht: "Wir füttern im Becken einmal am Tag, und jeder nimmt sich, was er kriegen kann."

Ungewöhnlich für einen typischen Bodenbewohner sei Edes Geselligkeit, sagt Ploetz: "Orangeflossen-Panzerwelse leben gern im Schwarm, sind nicht aggressiv, aber robust - absolut pflegeleicht also." Besuchern präsentierten sich die Fische von ihrer besten Seite; nur selten würden sich die tagaktiven Welse einmal unter Pflanzen oder einer ins Wasser ragenden Baumwurzel für eine kleine Ruhepause verstecken.

Aquarien-Liebhaber schwärmen von den Orangeflossen-Panzerwelsen, die auch Sterbas Panzerwelse genannt werden, als den schönsten Panzerwelsen überhaupt. Das liegt sicherlich weniger an ihren ebenfalls namensgebenden gelb bis orange gefärbten Pectoralstacheln (dem ersten, verdickten Brustflossenstrahl), die dann lange nicht so sehr ins Auge stechen, wie der Name glauben machen könnte. Sondern mehr an ihrem schwarz-weißen Punktemuster, das Modedesigner zwischen Pepita und Hahnentritt einordnen würden.

Mit Mode hat Ede jedoch wenig am Hut. Auch wenn's vielleicht für die Kontaktaufnahme mit der Damenwelt kein schlechtes Thema wäre. Und die könnte jetzt anstehen. "Vor eineinhalb Jahren kamen Ede und die anderen Panzerwelse von einem Zierfischzüchter zu uns, als wir damals gerade das Becken neu eingerichtet hatten. Die Tiere sind jetzt dementsprechend ausgewachsen", erzählt Florian Ploetz. Bei einer Lebenserwartung von etwa sieben Jahren wäre es an der Zeit, an Nachwuchs zu denken.

In der Natur klappt es immer dann, wenn die Regenzeit einsetzt. In Hamburg wäre das also ganzjährig, würde ein Münchner jetzt sagen - aber das wissen wir ja zum Glück besser. Und so kommt es, dass Ede und seine Kollegen noch keinerlei Anstalten gemacht haben, eines der gleich gemusterten, aber etwas kräftiger gebauten Weibchen zu bezirzen. Sollte dies erfolgreich geschehen, so würden die Weibchen die stark klebenden Eier an die Unterseite von Pflanzen heften oder in Steinhöhlen ablegen. Nach vier Tagen würden daraus winzige Orangeflossen-Panzerwelslarven schlüpfen. Bis das passiert, wird noch viel Wasser den Amazonas hinunterfließen. Und Ede wird mit seiner Bande weiter auf dicken Fisch machen.

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