Hamburger Gastronomiekette eröffnet nicht nur eine neue Filiale in Wilhelmsburg, sondern plant auch mehrere Restaurants im Ruhrgebiet.

Hamburg. Die leichte Joghurtsauce war keine so gute Idee. Die hatte Schweinske-Chef Marco Hölder mal in seinen Restaurants eingeführt, weil er die schwere Sour Cream zu Backkartoffeln nicht mehr für zeitgemäß hielt. Doch die Kunden ließen die neue Kreation links liegen. "Unsere Gäste sind keine Trendsetter, die jeden Monat etwas Neues wollen", sagt der braun gebrannte Geschäftsführer mit dem grau melierten Haar. Und dann spießt er auf seine Gabel Pommes, die zu einem riesigen, panierten Schnitzel auf seinem Teller gehören.

Schnitzel, Hüftsteaks, Currywurst und ein bisschen Pasta - es sind die kulinarischen Klassiker, mit denen sich die Hamburger Restaurantkette in den vergangenen Jahrzehnten unter die 100 größten Gastronomen Deutschlands geschoben hat. 38 Schweinske-Restaurants gibt es mittlerweile in der Bundesrepublik, die meisten davon befinden sich in der Hansestadt.

Nun schicken sich die Hamburger an, ihr Netz noch mehr als bisher über die Stadtgrenzen hinaus zu erweitern. "Wir wollen vor allem im Ruhrgebiet expandieren", sagt Hölder. "Dort gibt es ein bodenständiges Publikum, das die deutsche Küche schätzt, keinen Dünkel hat und gut zu uns passt." Derzeit ist der Gründer und Geschäftsführer unter anderem in Dortmund, Bochum, Wuppertal und Krefeld unterwegs, schaut sich Immobilien an und verhandelt mit möglichen Franchisenehmern. "Wir können uns auch vorstellen, eine kleinere Kette mit fünf bis sieben Restaurants zu übernehmen", sagt Hölder.

Konkret geplant ist in diesem Jahr zunächst die Eröffnung eines neuen Schweinske-Restaurants am S-Bahnhof in Wilhelmsburg, im vergangenen Jahr kamen zwei neue Häuser hinzu. Inklusive der Neueröffnungen konnte die Kette ihren Umsatz um 4,1 Prozent auf 25,1 Millionen Euro steigern - ein ordentliches Ergebnis, allerdings auch nicht weltbewegend, wenn man bedenkt, dass die größten 100 Gastroketten in Deutschland ihre Erlöse um 5,1 Prozent in die Höhe schrauben konnten. Direkte Konkurrenten wie der Steakhauskönig Eugen Block wuchsen sogar um fast zehn Prozent.

Im Gegensatz zu wachstumsstarken Ketten wie Block, Vapiano oder L'Osteria hat Schweinske das Problem, dass das Konzept vollständig auf Franchise beruht und die Hamburger daher potente Partner benötigen, um den Ausbau der Kette voranzutreiben. Rund 400 000 Euro muss ein Franchisenehmer im Schnitt investieren, um ein neues Schweinske aufmachen zu können, 15 bis 20 Prozent der Summe sollten als Eigenkapital vorhanden sein. "Das ist eine hohe Summe, doch wir legen Wert auf moderne Geräte und ein ansprechendes Ambiente in den Restaurants", sagt der zweite Geschäftsführer von Schweinske, Klaus-Peter Rösler, der die Kette zusammen mit Hölder leitet.

Für eine Franchisegebühr von 4,1 Prozent des Umsatzes übernimmt die Hamburger Zentrale die Suche nach einem geeigneten Standort, kümmert sich um Verhandlungen mit den Banken und legt das grundlegende Konzept der Restaurants inklusive der Speisekarte fest. "Ein großer Vorteil für die Franchisenehmer besteht auch in den günstigen Einkaufskonditionen für die Lebensmittel, die wir aufgrund unserer Größe aushandeln können", sagt Rösler.

Rund 300 Tonnen Fleisch landen bei Schweinske Jahr für Jahr auf den Tellern, darunter allein 64 Tonnen Schnitzel und 30 Tonnen Currywürste. Das Schweinefleisch stammt nach Angaben des Unternehmens zu 90 Prozent aus Deutschland, das Rindfleisch aus Argentinien.

Trotz vergleichsweise günstiger Preise in den Restaurants akzeptiere die Kette keine Abstriche bei der Qualität, betont Rösler. Biofleisch oder Standards, die über die ohnehin gültigen, gesetzlichen Vorschriften hinausgehen, sucht man bei Schweinske allerdings vergebens. Ihre Rohware beziehen die Hamburger - wie andere Restaurants auch - über Gastronomiegroßhändler wie Stockhausen aus Rellingen oder die Kölner Handelshof-Gruppe, die über eine Außenstelle in Harburg verfügt.

Der generell rückläufige Konsum von Schweinefleisch - im vergangenen Jahr sank der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland um 0,5 auf 39 Kilogramm - macht der Kette bislang nicht zu schaffen. "Bei uns ist die Nachfrage ungebrochen", sagt Gründer Hölder. Einen Anlass, die grundlegende Strategie oder gar den Namen der Kette zu ändern, habe er daher nie gesehen. "Dabei haben wir sogar eine Alternativstrategie in der Schublade, mit der wir Schweinske unter dem Namen Gagga auf Gerichte mit Geflügelfleisch ausrichten könnten."

Wenn die Schweinske-Chefs Hölder und Rösler über ihre Pläne und Strategien erzählen, dann wirken sie wie ein gut eingespieltes Team, manchmal auch wie ein altes Ehepaar. Oft führt einer der beiden Männer den Satz des anderen zu Ende. Wenn sie sich doch mal streiten, dann geht es um die Einführung neuer Produkte, wie beispielsweise einen Schweinske-Burger, den Rösler gerne hätte, Hölder aber partout ablehnt.

Die beiden gebürtigen Hamburger kennen sich schon seit ihrer Schulzeit und besuchten gemeinsam das Gymnasium Borgfelde. In die Gastronomie gelangten sie allerdings auf gänzlich unterschiedlichen Wegen. Der heute 53 Jahre alte Hölder absolvierte nach dem Abitur erst einmal eine Ausbildung bei der Polizei. Er geriet aber mehr als einmal mit dem Leiter seines Reviers am Wiesendamm aneinander, weil er sich weigerte, Parksünder aufzuschreiben. Außerdem rasselte der aufmüpfige, junge Mann knapp durch die Prüfung für das Rauschgiftdezernat - die einzige Abteilung, für die er sich wirklich interessierte.

Kaum hatte Hölder seine Ausbildung abgeschlossen, verließ er die Polizei und machte seine erste Kneipe Zum Spaten auf. "Ich hab alle Kollegen aus meinem ehemaligen Revier eingeladen, die auch fast alle gekommen sind", erinnert er sich. Es folgten weitere Kneipen, die Gastronomie im Ohnsorg-Theater und eine Diskothek in Stade namens Mülltonne, in der Hölder unter dem Namen Schwabbel Dabbel Drinks zum halben Preis verkaufte. Im Jahr 1983 machte er das erste Schweinske auf - den Namen fand er in einem Telefonbuch.

Klaus-Peter Rösler schlug hingegen eine völlig andere Laufbahn ein - der heute 55-Jährige studierte unter anderem an der Pariser Sorbonne Philosophie und promovierte über das Thema Metaphysik und Orientierung. Zurück in Hamburg hatte er eine durchaus Erfolg versprechende, akademische Laufbahn vor sich, hätte dazu allerdings nach Jena wechseln müssen, wo nach dem Fall der Mauer die Fakultät mit Personal aus dem Westen neu aufgebaut wurde.

"Einen Umzug nach Ostdeutschland wollte ich damals meiner Frau und mir nicht zumuten", sagt Rösler. Da kam ihm das Angebot seines ehemaligen Schulfreundes ganz recht, der ihm den Einstieg in seine Restaurantkette anbot. Bereut habe er den Schritt bislang nicht: "Als Philosoph neigt man leicht zum Grübeln, in der Gastronomie geht es hingegen meist turbulent und fröhlich zu."