Wir haben einen der Jünger Jesu zu Gast, Thomas. Er hat sich auf eine Art Zeitreise begeben. Es interessiert ihn, was aus dem geworden ist, was er mit Jesus erlebt hat. Er lässt sich durch unsere Kirchen führen, er probiert vom Abendmahl und wundert sich über die papierenen Oblaten. Zu seiner Zeit habe man richtiges Brot gegessen mit Jesus.

Wir wissen, dass Thomas Jesus selbst gesehen hat - nach dessen Tod. In der Bibel steht, dass er ihn sogar anfassen durfte, weil er nicht glauben wollte, dass Jesus wirklich lebt.

Wir fragen ihn nach dem Moment, als er Jesus als Auferstandenen gesehen hat: Wie war das?

Er beginnt zu erzählen: "Ich kann das schwer erklären. Die anderen hatten mir erschrocken erzählt, Jesus sei bei ihnen gewesen. Ich fand das verrückt. Aber sie waren sehr überzeugt, und vor allem waren sie nicht mehr so betäubt traurig wie vorher, das machte mich stutzig." Wir fragen Thomas erneut nach dem Moment seiner Begegnung mit Jesus.

"Ich schlief sehr unruhig und träumte von dieser ekligen Hinrichtung - wie sich jemand unterm Kreuz erbrach und Kinder mit Steinen nach Vögeln warfen, es war furchtbar, das vergisst man nicht. Und wie Jesus aus den Händen blutete. Am Tag darauf waren wir wieder zum Essen zusammen, und da bemerkte ich plötzlich etwas in meinem Rücken. Als stünde jemand hinter mir. Und als ich die Blicke der anderen sah, wusste ich: Das ist er. Mir wurde heiß und kalt. Ich drehte mich um und sah ihn stehen, am Fenster. Das war erschreckend schön. So etwas erlebt man nur einmal im Leben. Aber ich dachte, ich bin verrückt. Die anderen haben so viel von ihm geredet, dass ich mir alles einbilde. Da beginnt er zu reden: ,Thomas.' Wenn ein Toter deinen Namen sagt, das ist unheimlich. ,Ich weiß, du kannst es nicht glauben', sagte er. Ich nickte. ,Komm, fass mich an, greif in die Wunde!'. Ich stand auf und dachte, wenn ich auf ihn zugehe, verschwindet er. Aber er blieb. Ich berührte seine Hände, sie waren wie Wachs, ich spürte die Mitte mit dem Loch. Er sah, dass ich begriff. ,Jetzt glaubst du', sagte er. ,Aber ich sage dir ein Geheimnis: Es gibt noch etwas Schöneres als den Beweis durchs Anfassen. Es gibt die Liebe, die nichts beweisen muss. Man sieht einander und weiß Bescheid. Das macht selig.' Ich hab das in dem Moment nicht verstanden, aber später schon. Wenn man Freundschaft und Liebe beweisen muss, ist sie schon verloren."

Thomas schaut still vor sich hin. Er lächelt.

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