Günter Grass ist auf seine ältesten Tage wieder vom Unbewussten eingeholt worden

Der große Sündenfall des deutschen Moralapostels Günter Grass ereignete sich nach Bitburg. Dort trafen sich 1985 auf dem Soldatenfriedhof der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und der amerikanische Präsident Ronald Reagan, um sich über die Gräber deutscher und amerikanischer Soldaten hinweg die Hand zu einer symbolischen Versöhnung zu reichen.

In einer gleichen Geste hatten schon Kohl und Mitterrand sich 1984 am furchtbarsten Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs, dem von Verdun, getroffen, auch das ein Zeichen der Aussöhnung. So vollzog Bundeskanzler Kohl als ein Nachfolger von Kanzler Brandt die Versöhnung mit dem Westen, wie Brandt einst durch den Kniefall von Warschau mit den Polen.

Günter Grass hat sein Idol Brandt stets mutig verteidigt und im Wahlkampf trommelnd begleitet. Allerdings war er als höchste antifaschistische Instanz als "moralischer Scharfrichter" ("Der Spiegel") auf einem Auge blind, parteienblind. Als Kohl und Reagan den Soldatenfriedhof in Bitburg besuchten, griff er Kohl scharf an. Er beschimpfte ihn als "Geschichtsklitterer" und Heuchler, weil auf dem Friedhof auch Waffen-SS-Soldaten lagen. Und Grass höhnte: "Unwissenheit spricht nicht frei." Helmut Kohl hat sich mit guten Gründen gegen diesen Vorwurf gewehrt: "Doch wer sich mit der Geschichte der Waffen-SS beschäftigt, weiß, dass viele dieser blutjungen Soldaten gar keine Chance hatten, dem Einberufungsbefehl zur Waffen-SS zu entgehen." 32 der 49 in Bitburg liegenden SS-Soldaten waren an ihrem Todestag jünger als 25.

Dieser Einwand brachte Grass nicht zu einem Einsehen, obwohl er ungeheuerlicherweise verdrängt hatte, dass er im Krieg auf dem gleichen Friedhof hätte enden können. Erst als er sein autobiografisches Buch "Beim Häuten der Zwiebel" 2006 schrieb, fiel ihm ein, und er teilte es der erstaunten Welt auch mit, dass er bei der Waffen-SS gedient habe, wo er bisher nur als Flakhelfer und Soldat in die Kriegsgefangenschaft marschiert war.

Nachträglich sieht man, wie die Lebenslüge in dem Dichter rumort haben muss, der sich durch ein früheres Geständnis den Nobelpreis ruiniert hätte. So empfahl er den Deutschen den Verzicht auf die Wiedervereinigung, indem er dichtete: "Ist uns die Wiederholungstat in Runenschrift vorgeschrieben?"

Jetzt hat es den Ex-Runenträger Grass auf seine ältesten Tage noch einmal erwischt. Er hat den neuen alten Schuldigen gefunden, wie kann es anders sein: die Juden. Als "Atommacht Israel gefährden sie den ohnehin brüchigen Weltfrieden". Damit der störrische Alte seinen Frieden mit sich machen kann!