Bierernster Wirrwarr in Hamburgs Osten: Seit der Bergedorfer 850-Jahr-Feier werden zwei lokale Biere mit fast identischem Namen verkauft.

Bergedorf. Dies ist eine bierernste Geschichte: Sie spielt ganz im Osten Hamburgs, wo es plötzlich zwei Biere gibt, die den Namen der ehemaligen Stadt und des heutigen Bezirks im Logo tragen: das "Bergedorf Beer" und das "Bergedorfer Bier". Logisch: Das kann eigentlich nicht gut gehen.

Das vornehm englisch klingende "Beer" ziert ein deutsches Wappen mit einem friedvollen Handschlag. Das andere "Bier" wird vom offiziellen Bergedorfer Stadtwappen mit drei deutschen Eichen geschmückt. Was die Sinne - wenn man so doppelt sieht - schon verwirren kann.

Kommt man gar ins Bergedorfer Schloss, den Stolz des kleinen Städtchens und Mittelpunkt der Feiern zum 850. Geburtstag, und möchte ein "Bergedorfer Bier" kaufen, dann erntet man Schulterzucken. In dem alten Gemäuer ist das "Bier" illegal. Dort gibt es nur das "Beer" mit Handschlag. Das Stadtwappen-"Bier" ist im Schloss und dem Schlosspark verboten. Hat da vielleicht der Bergedorfer Amtsschimmel zu tief ins Glas geschaut?

Nein, der Wirrwarr nahm seinen Anfang bei einem der Vereine, die in Bergedorf seit Jahrhunderten eine große Rolle spielen. Das Museum hat natürlich auch einen (Förder-)Verein. Anno 2009 hatte dieser Verein der Museumsfreunde eine Marketingidee: Um die Gastronomie im alten Gemäuer attraktiver zu machen, handelten die Vereinsfürsten dem Branchenriesen Oettinger Brauerei Gotha das Recht ab, das "Bergedorf Beer" deutschlandexklusiv im Schlösschen zu verkaufen.

2,60 Euro kostet das 0,3-Liter-Glas "Beer" vom Hahn im schlosseigenen Restaurant Café la note. Für sechs Euro kann man gar das Beer-Glas erwerben und aus dem Schloss entführen, während das Geld an den Museumsverein fließt, "zu 100 Prozent", wie Vereinschef Harm Reese versichert. Weiterhin geht ein Teil des Bierumsatzes in die Vereinskasse.

Pfiffig, was? Denn die Großbrauerei hat die Rechte eines uralten Bergedorfer Bieres, das dort Ende des 19. Jahrhunderts gebraut wurde, erworben. In Bergedorf braut heute niemand mehr, aber das Oettinger-Produkt (in Schwerin abgefüllt) wird in China und Afrika sehr erfolgreich vermarktet. Bierkenner schwören, dass der heutige Erfolg an der langen Tradition liege, weil Bergedorfer Braukunst auch in den deutschen Kolonien beliebt war.

Andere sehen den heutigen Erfolg eher im hohen Alkoholgehalt des Export-Bieres. Anno 2008 wurden vom "Bergedorf Beer" 80 Millionen Dosen für den Export abgefüllt.

Anno 2007 hatte sich am Bergedorfer Bierhimmel schon einmal etwas zusammengebraut: Der ehemalige Reemtsma-Manager und Rechtsanwalt Hans-Jürgen Bausewein begann in der Biergeschichte zu forschen. Er fand heraus: 1863 war in der damaligen Brauerstraße (der heutigen Chrysanderstraße) die Actien-Brauerei zu Bergedorf gegründet worden. Sie braute "Bergedorf Beer". "Ich wollte das alte Bier wieder aufleben lassen", sagt Bausewein dem Abendblatt. Er tat sich mit dem Einzelhändler Nico Clausen und Burkhard Schopen, der den Vertrieb übernahm, zusammen.

Zum 850. Bestehen Bergedorfs ist den drei das gelungen. Bausewein gründete extra die "Bergedorfer Braugesellschaft".

Das "Bergedorfer Bier" gibt es nur in 0,5-Liter-Flaschen im Fachhandel zum empfohlenen Verkaufspreis von 4,99 Euro im Sixpack. "Es ist ein leicht dunkelgoldenes, vollmundiges und leicht malziges Brauprodukt", sagt Bausewein und betont die "Urkraft" seiner Wiederentdeckung, die in Altona (bei Holsten) gebraut wird. Beflügelt wird die Urkraft von 5,8 Prozent Alkoholgehalt.

Zur Geburtstagsfeier Bergedorfs in der vergangenen Woche hatte das Retro-Bier seinen großen Auftritt. 300 Gläser vom Fass wurden verkauft - und sorgten für neue dunkle Wolken an Hamburgs östlichem Brauer-Himmel.

"Ich fand das überhaupt nicht witzig", sagt Ina Rump, die Wirtin vom Schloss-Café, "mir hatte auch niemand gesagt, dass bei der Feier das neue ,Bergedorfer Bier' ausgeschenkt wurde."

Ina Rump schenkt nicht nur das "Beer" im Café la note aus, sondern schenkte dem Bezirk auch eine Riesentorte zur Geburtstagsfeier. Drei Tage lang hat die Restaurantfachfrau an der dreistöckigen Geburtstagstorte gearbeitet, die auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz mundete, als er während der Feier neben der Torte zum offiziellen Foto Aufstellung nehmen musste (und mit dem Finger in die Torte kam).

Auch die Schlossherren - die Herren Vereinsfürsten - mögen das "Bergedorfer Bier" nicht. "Natürlich waren wir als Verein nicht begeistert, dass nun ein weiteres Bier unter ähnlichem Namen herausgebracht wird, um es zurückhaltend auszudrücken", sagt Harm Reese. Der Verein hätte die Sache rechtlich geprüft und festgestellt, dass er den ähnlich klingenden Namen nicht verbieten könne. Daraufhin habe er festgelegt, "dass es das neue Bier nicht im Schloss und auch nicht im Park geben darf".

Doch mit dem Erfolg des schlossherrlichen "Beers" ist es nicht weit. "Die Besucher kommen nicht wegen des Bieres. Die kommen, weil ich als Tortenbäckerin einen so guten Ruf habe", sagt Ina Rump. Das "Bergedorf Beer" würde nur zum Essen verlangt. "Es gibt keinen, der extra wegen des 'Bergedorf Beers'" kommt, sagt die Wirtin. Und auch der Verkauf der leeren Gläser beschert dem Verein nicht gerade fürstliche Einnahmen. Was auch daran liegen mag, dass die Schlossherren für ihr Beer kaum werben.

Obwohl die "Beer"-Verkäufer sauer geworden sind, haben sie zum Start des Retro-Bieres mit den Machern des neuen Bieres eine "gemeinsame Erklärung" abgegeben: "Für Bergedorf sind beide Biere ein Gewinn", heißt es da.

Knapp zehn Tage nach dem Start des "Bergedorfer Bieres" gibt es schon einen echten Gewinner: Die Regale in den Supermärkten sind fast leer. Bausewein hat mit der Bergedorfer Braugesellschaft fast 100 000 Flaschen verkauft. "Einen so großen Erfolg habe ich nicht erwartet", sagt er, "ich bin berauscht."

Der Erfolgsrausch macht wohl spendabel: Die Bergedorfer Braugesellschaft organisierte einen Sonderverkauf für 50 Cent das Glas vor einem Supermarkt. "Die Einnahmen von 200 Euro gehen an den Museums-verein im Schloss", sagt Hans-Jürgen Bausewein.