Neustadt. Von hinten wirken sie kaum älter als Schuljungen. Gleichsam, als würden sie zu den Jungen und Mädchen einer Klasse gehören, die hinter ihnen im Zuhörerbereich des Gerichtssaals sitzen, und hätten bloß versehentlich auf der Anklagebank Platz genommen. Doch schaut man in ihre Gesichter, sind da die Spuren zu erkennen, die das Leben in ihre Züge gezeichnet hat. Ein recht bewegtes Leben haben David O. und Patrick R. geführt, eines, das sie schon häufig mit der Strafjustiz in Konflikt gebracht hat. Bisher waren die beiden immer vor dem Jugendgericht recht glimpflich davongekommen. Doch jetzt, als Erwachsene von 23 Jahren, haben sich die Zeiten geändert.

Dabei haben die jungen Männer aus ihrer Sicht nur ein wenig ausgelassen Spaß gehabt, beteuern sie und weisen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft im Prozess vor dem Amtsgericht, sie seien ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren, mit Nachdruck von sich. Laut Anklage steuerten sie abwechselnd in einer kleinen Stichstraße in Langenhorn den Wagen eines Bekannten - ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein, aber dafür mit Alkohol im Blut. Mit ihnen muss sich Arthur K. vor Gericht verantworten, weil der 31-Jährige das Auto mit dem Wissen genutzt haben soll, dass es nicht haftpflichtversichert war.

Der älteste Angeklagte schweigt auf Anraten seiner Verteidigerin zunächst zu den Vorwürfen. Dafür sprudelt es aus David O. nur so heraus. "Wir hatten alle etwas getrunken", setzt der 23-Jährige an. Sie hätten in jener Juninacht des vergangenen Jahres ihren Kumpel Arthur K., der sich noch mit einer Bekannten hatte treffen wollen, gefragt, ob sie im Wagen sitzen bleiben und Musik hören könnten. "Wir mussten ihm versprechen, dass wir das Auto nicht bewegen", erzählt der Auszubildende. "Daran haben wir uns auch gehalten. Und wenn ich mit jemandem unterwegs bin, frage ich natürlich nicht, ob Versicherungsschutz besteht, bevor ich einsteige." Sie hätten den Wagen "definitiv" nicht gesteuert, beteuert David O. mit energischer Stimme. "Ich bin noch nie gefahren, habe auch keinen Führerschein. Wir haben nur sehr laut Musik gehört und sind auch mal ausgestiegen und haben Türen geknallt."

An den Lärm, den sie dabei etwa gegen 3 Uhr nachts verursachten, kann sich Anwohner Tobias Z. nur zu genau erinnern. An Schlaf sei nicht zu denken gewesen, sagt der 34-Jährige als Zeuge, weil es draußen "sehr laut" gewesen sei. Beim Blick aus dem Fenster habe er junge Leute gesehen, "die ein Auto mit quietschenden Reifen und dann wieder Vollbremsung fuhren, immer die Straße auf und ab, immer abwechselnd im Vorwärts- und Rückwärtsgang". Am Steuer hätten sie sich abgewechselt, einer saß im Auto, die anderen seien dann jeweils ausgestiegen und hätten Alkohol getrunken. "Die haben dann den Fahrer angefeuert." Er habe schließlich diePolizei alarmiert. Die beiden jüngeren Angeklagten seien "auf jeden Fall dabei gewesen", die erkenne er, verkündet der Zeuge nach einem kritischen Blick auf David O. und Patrick R.

Letzterer ist einem der Polizeibeamten, die in jener Nacht für Ordnung und vor allem Ruhe sorgten, "hinlänglich bekannt aufgrund diverser Straftaten", erzählt der Polizist als Zeuge. Er habe bei dem Wagen die Bremsleuchten gesehen, und als er die Motorhaube anfasste, sei die "richtig heiß gewesen. Der Wagen wurde also vorher bewegt." Eine sogenannte Halterabfrage habe zudem ergeben, dass das Fahrzeug zur Fahndung ausgeschrieben war, weil es keine Haftpflichtversicherung hatte.

Schließlich räumt der Halter des Autos, Arthur K., ein, mit dem Wagen vor dem ruhestörenden Manöver unterwegs gewesen zu sein, obwohl er um den fehlenden Versicherungsschutz wusste. Sein Geständnis wird honoriert. Die Tat sei natürlich "nicht in Ordnung, aber es gibt Schlimmeres", erklärt der Amtsrichter und stellt das Verfahren gegen eine Geldbuße von 180 Euro ein.

So glimpflich geht es für David O. und Patrick R. nicht aus. Nach diversen Einstellungen, Weisungen oder Arbeitsleistungen als Sanktionen vor dem Jugendgericht sollen sie jetzt erstmals Geldstrafen bekommen. 50 Tagessätze zu 15 Euro fordert die Staatsanwältin für die beiden Angeklagten. David O. überschlägt den Betrag zügig im Kopf. "850 Euro?", fragt er entgeistert nach. Der Richter korrigiert: Tatsächlich seien es 750 Euro. Der Angeklagte wirkt aufgrund des Antrags wie vom Donner gerührt.

"Dafür, dass wir lediglich etwas Alkohol getrunken und Musik gehört haben, ist das ganz schön viel", empört er sich und schüttelt fassungslos den Kopf. Doch auch der Amtsrichter hält die beantragten 750 Euro Geldstrafe für die beiden 23-Jährigen für angemessen und verkündet ein entsprechendes Urteil wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Alkohol am Steuer.

Trotz ihres beharrlichen Leugnens sei er davon überzeugt, dass sie das Auto sehr wohl gefahren haben, erläutert der Richter. "Der Polizeibeamte sah, wie der Wagen gerade anhielt, und sah die hellen Bremsleuchten", begründet er das Urteil. "Außerdem war der Motor heiß, und das wird er nicht vom bloßen Musikhören."

David O. und Patrick R. seien zwar nicht weit unterwegs gewesen, aber es hätte trotzdem etwas passieren können, redet der Richter den Angeklagten ins Gewissen. "Sie hatten diverse Verfahren beim Jugendgericht und sind da mit großer Milde bedacht worden, trotz solcher Straftaten wie gefährlicher Körperverletzung und Erpressung. Jetzt als Erwachsene sieht das anders aus."