Situation sei für Kollegen schon vor Tragödie von Eppendorf belastend gewesen

Neustadt. Die Betroffenheit der Augenzeugen ist der Begleitton dieses bedrückenden Verfahrens um die Tragödie von Eppendorf, dieses entsetzlichen Unfalls, der unsägliches Leid über die Familien Kurrer, Amendt und Mues brachte. Aber auch Augenzeugen, die körperlich unversehrt geblieben sind, hat die Tat gezeichnet - so sehr, dass einige am zweiten Tag des Prozesses gegen den unter anderem wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Alexander S., 39, die Tränen kaum zurückhalten.

Auch Peter E., 43, belasten die Erinnerungen noch immer. Fahre er heute mit dem Auto auf eine Kreuzung, fühle sich das "anders" an, sagte er gestern. An jenem 12. März 2011 schlenderte er mit seiner Freundin durch Eppendorf, als er einen Wagen mit hohem Tempo auf sich zurasen sah. "Ich dachte, der muss doch bremsen, aber er beschleunigte noch." Vom folgenden "Riesenknall" berichten alle Zeugen. Einige sahen, wie ein Fiat Punto - rund 100 km/h schnell - bei Rot auf die Kreuzung schoss und in das Heck des Cabrios vom Schauspielerehepaar Striebeck krachte. Wie das Auto dann in die Höhe geschleudert wurde und auf eine an der Ampel wartende Menschengruppe flog.

Der Fiat begrub den Sozialforscher Günter Amendt unter sich, auch Schauspieler Dietmar Mues, seine Frau Sibylle und die Künstlerin Angela Kurrer starben. Zeuge Christian F., 46, zog Sibylle Mues vom Unfallauto weg und versuchte, sie wiederzubeleben. Peter E.: "Ich sah verstörte Menschen, eine Frau, die hysterisch schrie, eine andere, die nur wimmerte." Die 13 Jahre alte Tochter der Zeugin Simone R. musste ins Krankenhaus - das Kind stand unter Schock und hyperventilierte.

Ein epileptischer Krampfanfall soll, so die Staatsanwaltschaft, Ursache der tödlichen Irrfahrt gewesen sein. Peter E. berichtete jedoch von "bewussten Lenkbewegungen". Nur, wie würde so ein Manöver mit der These vom unkontrollierbaren Krampfanfall zusammenpassen? Eine Frage für die Sachverständigen. Womöglich ist Alexander S. im juristischen Sinn schuldunfähig - aber nicht frei von Schuld. Denn offenbar war er vorgewarnt. Zwei Unfälle, bei denen Anfälle eine Rolle spielten, soll er 2004 und 2008 verursacht haben.

Aus einem vom Gericht verlesenen Schreiben seines Ex-Arbeitgebers geht zudem hervor, dass er seit 2004 wiederholt - zuletzt im Januar 2011 - Krampfanfälle in der Firma erlitten habe. Wie häufig und wie intensiv, konnte der Arbeitgeber nicht darstellen. Die Situation sei für die Kollegen aber schon seit Jahren belastend gewesen.

Nur Tage vor der Tragödie sollen ihm seine Ärzte bescheinigt haben, er sei nicht fahrtauglich. Doch Alexander S. will seine Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbinden, und reden will er auch nicht. Er starrt vor sich hin - und schweigt. Der Prozess wird fortgesetzt.