Justizsenatorin hält heute eine Festrede am Sievekingplatz

Neustadt. Majestätisch erhebt sich das Gebäude mit der 52 Meter hohen Kuppel am Justizforum. Kein anderer Bau prägt den Sievekingplatz so sehr wie das Hanseatische Oberlandesgericht, dieses neoklassizistische Monument mit den schlanken Kalksandsteinsäulen und den prominenten Ecktürmen. Allein die Position - mittig zwischen Zivil- und Strafgerichtsgebäude - verweist auf die Rolle als juristisches Epizentrum: Hier spielt die Musik, wenn die Hamburger Justiz Grundlegendes zu entscheiden hat.

Heute feiert das Gebäude des höchsten Gerichts für Zivil- und Strafsachen in Hamburg Jubiläum, genau vor 100 Jahren wurde es eingeweiht. Ein Gebäude, dessen Historie unauflöslich mit der Geschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik verquickt ist. "Natürlich ist ein jedes Gebäude nur Architektur", sagt die Präsidentin des Oberlandesgerichts, Erika Andreß. "Mit Leben erfüllt wird es erst dadurch, wofür es bestimmt war und wie mit dieser Bestimmung über die Zeiten umgegangen wird." Die Festrede hält heute Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD).

1879 ersetzte das OLG das Obergericht Hamburg und das Oberappellationsgericht der Freien Reichsstädte Hamburg, Lübeck und Bremen. Erst beheimatet in der Dammtorstraße 10 zog es 1891 in die Welckerstraße 9 um. 1897 startete der Senat einen Wettbewerb für den Bau eines neuen OLG-Gebäudes, das Rennen machte der Entwurf der Architekten Lundt & Kallmorgen.

Zank und Zoff zwischen dem Bauherrn und den Architekten prägten von 1907 an die Arbeiten - man stritt um alles, auch um die Inschrift des Giebelfeldes. Der Senat entschied sich für einen Spruch des römischen Juristen Celsus: "Jus est ars boni et aequi" (frei übersetzt: "Recht ist, das Wahre zu finden und das Gute zu wirken.").

Zu beiden Seiten des Daches hocken Sphinxe - Symbol für die ureigene Aufgabe der Rechtsprechung, "die Unschuldigen ziehen zu lassen und die Schuldigen zu strafen". Eine Maxime, die während der NS-Diktatur ins Gegenteil verkehrt wurde. Hunderte Opfer forderte die "Blutjustiz". So verurteilte der erste Strafsenat den Bergedorfer Kohlearbeiter Max Schlichting im Januar 1945 zum Tode, weil er kurz nach der alliierten Invasion Zweifel am "Endsieg" geäußert hatte. Andreß: "In diesen Räumen ist entsetzliches Unrecht gesprochen worden. Doch die Schuld daran liegt nicht am Kalkstein - wir Menschen haben uns versündigt."

Auch dies gehört zur Geschichte des Gebäudes, das mit seiner üppigen Eingangshalle, der in Eiche gehaltenen Bibliothek und den vier repräsentativen Sitzungssälen wie ein der Justitia geweihter Tempel erscheint. Aufsehenerregende Fälle, wie sie vor dem Landgericht verhandelt werden, sind am OLG indes selten, Ausnahme: das Staatsschutzverfahren gegen den Terroristen Mounir al-Motassadeq 2003. Vielmehr haben die OLG-Urteile Relevanz, sie dienen als Richtschnur für andere (Oberlandes-)Gerichte. Seit Februar ist das OLG mit seinen 15 Zivil- und drei Strafsenaten (81 Richter) zudem zentrale Verhandlungsinstanz für Straftaten mit terroristischem Hintergrund, zuständig für ganz Norddeutschland.