Ein Bergedorfer Ehepaar lässt die 120 Jahre alte Villa Oertzen sehr aufwendig restaurieren - und legt auch mal selbst Hand an.

Bergedorf. In weitem Bogen geht die Chrysanderstraße den Hügel hoch und wird schmal. Oben im Villenviertel steht die Bergedorfer Mühle von 1831. Auf der anderen Straßenseite - etwas vornehm nach hinten versetzt - thront die gut 20 Meter hohe Villa Oertzen von 1892 am Ufer der Bille. Ein feines Plätzchen mit einer Atmosphäre wie im Luftkurort und einem hochherrschaftlichen Bauwerk. Jeder Ziegel der heute rosafarbenen Villa Oertzen zeigt den Repräsentationswillen aus einer Zeit, in der Bedienstete wie Diener, Köche und Hausmädchen dazugehörten - und ein Kutscher, hier sogar mit eigenem Häuschen.

Villa und Kutscherhaus stehen noch, doch die Zeiten sind anders: Den Besucher empfängt im Vestibül - der kleinen Empfangshalle - kein livrierter Diener, sondern eine freundliche Bergedorferin, die sogleich begeistert die bemalten Wände erklärt. Hiltrud Schönenbach-Schleining sagt: "Die Ölmalereien imitieren Marmor, Holz und bunte Edelsteine. Wir restaurieren das gerade." Die Schmuckmalerei stammt von 1892. Eine Zeit, die die Hausherrin wieder aufleben lässt.

Die Eigentümer versetzen alles in den Stand jener Tage, als ein General auf dem Villenhügel das Personal befehligte. "Das war der ehemalige Eigentümer Arwed von Oertzen. Nach ihm heißt das Gebäude heute noch; und es heißt, er habe großen Wert aufs Repräsentieren gelegt", sagt die Hausherrin. Um das Repräsentieren geht es dem Ehepaar aber gar nicht. Nur ums Prinzip. "Und das ist das Denkmal", sagt Hiltrud Schönenbach-Schleining. "Und das haben wir per Zufall entdeckt, als wir beschlossen, in das Haus zu ziehen."

Hinter vielen Farbschichten, Putz und Tapeten entdeckten die Bergedorfer Wand- und Deckenmalereien: Ein Fund, den das Denkmalschutzamt als "großartig" bezeichnet. Weiterhin fand sich in einer Zwischenwand eine eingemauerte große, zweiflüglige Schiebetür. "Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, und mir ging das Herz auf", sagt Hiltrud Schönenbach-Schleining. "Ich interessiere mich schon seit Langem für alles, was mit der Jahrhundertwende zu tun hat, und kannte das nur von Fotos."

Die Eigentümer nahmen Kontakt mit dem Denkmalschutzamt auf und ließen das Gebäude unter Schutz stellen. Eine Untersuchung der Denkmalpfleger brachte amtliche Gewissheit: "Die Villa besitzt sowohl geschichtlichen Wert als auch stadtbildprägende Bedeutung für Bergedorf. Die spannenden Funde im Inneren wie aufwendige Schablonenmalereien und maserierte Kassettendecken belegen eindrucksvoll den Wert historischer Innenräume und zeigen: Zu einem Denkmal gehört nicht nur die Außenfassade", erklärt Hamburgs Denkmalschutz-Chef Frank Pieter Hesse.

Voller Begeisterung griff Hiltrud Schönenbach-Schleining selbst zum Skalpell und kratzte Tapeten, Farbe und Putz Millimeter für Millimeter ab. Die alten Malereien waren an den Decken jedoch nur bruchstückhaft vorhanden. Eine Aufgabe für die beiden Restauratorinnen Inke Hansen und Christine Muhsil. Schmückstück ist die 3,60 Meter hohe Kassettendecke im heutigen Wohnzimmer, die von unten den Eindruck aufwendiger Intarsien macht, doch es sind keine Holzeinlegearbeiten, sondern Malereien, die mehrere Holzarten, darunter Palisander, imitieren. "Wir haben 350 Stunden an der Wiederherstellung der Decke gearbeitet", sagt Inke Hansen.

Mit den Restauratorinnen und den Denkmalschützerinnen Katrin Meyer und Ruth Hauer an der Seite von Hiltrud Schönenbach-Schleining haben nun die Frauen das (gestalterische) Sagen in der Villa. Denn kein Architekt betreut, wie sonst üblich, die Arbeiten. Und der Hausherr Bernd Schleining "hat sich gefügt", sagt er - und dann weiter mit einem Augenzwinkern: "Ich hätte alles weiß angestrichen."

Die Frauen ließen sich von nichts abschrecken. Auch der gefürchtete Hausschwamm und Schäden durch Ameisen wurden beseitigt. "Ohne die Unterstützung und Beratung des Denkmalschutzamtes hätte ich weder gewusst, wo die spezialisierten Handwerker zu finden sind, noch in welch spannendem Haus wir leben", sagt die Hausherrin.

An den Wänden im Vestibül haben die Damen noch länger zu kratzen und restaurieren. Auch die Kabel müssen noch hinter Putz versteckt werden. Später wollen die Eigentümer das Haus außen rekonstruieren. "Originalgetreu", wie Hiltrud Schönenbach-Schleining betont. Sie zeigt auf eine Postkarte der Villa Oertzen von etwa 1900, die Balkone mit schönen Balustraden zeigt. Welche Farbe erhält die Villa? "Weiß", sagt Bernd Schleining. "Aber welches Weiß, das wissen wir nicht", ergänzt seine Frau.

Die ursprüngliche Nutzung des zweistöckigen Hauses war einfach: Im Keller lagen die Küche, ein ganzer Raum voller Wein, einer voller Kohlen, eine Waschküche und andere Wirtschaftsräume. Das Hochparterre diente nur dem herrschaftlichen Aufenthalt mit Herren- und Esszimmer, Salon und Wintergarten (mit Blick auf die Bille). Im ersten Stock waren Schlaf- und Ankleidezimmer. Unterm Dach wohnten die Bediensteten.

Ein Herrenzimmer gibt es nicht mehr, nur das "Homeoffice" des Diplomingenieurs Bernd Schleining. Und hat seine Frau auch ein eigenes Zimmer? "Nein", sagt sie, "jedes Zimmer ist mein eigenes."