Die Kulturschaffenden in Hamburg müssen aufhören, sich von Wirtschaftsförderern und Politik bedroht zu fühlen

Wo entsteht Kreativität? Darüber haben Hirnforscher schon oft und ausführlich gegrübelt. Uns geht es bei dieser Frage vor allem um Räume außerhalb des eigenen Kopfes, nämlich um das passende Umfeld: Wo können sich Künstler in Hamburg frei entfalten und warum ist das überhaupt wichtig?

Ich möchte dieses in der Stadt kontrovers diskutierte Thema mit dem vermeintlichen Reizwort der Ökonomisierung einleiten, um die es uns - der Stadt, den Administratoren - ja immer nur gehen soll.

Wirft man einen Blick in die Geschichte, gehörte die Zukunft stets den Volkswirtschaften, denen es gelang, rechtzeitig von den gegenwärtig erfolgreichen Industrien und Wirtschaftszweigen aufzublicken und nach vorne, in die Zukunft zu schauen. In dieser Hinsicht sind Wirtschaftszyklen fast wie Moden: Ist der Trend auf dem Höhepunkt, ist der kommende schon im Entstehen. Sind die Beine der Herrenhosen gerade eng geschnitten, findet sich in den Modezeitschriften bereits das weite Hosenbein.

Auf Ökonomien, auf Gesellschaften angewendet: Es gilt ein Gespür dafür zu entwickeln, was unser Leben bestimmen wird. Nur so wird eine Kultur, eine Volkswirtschaft, eine Gesellschaft auch langfristig erfolgreich sein. Dafür braucht es die richtigen Räume und Rahmenbedingungen: Der Tellerrand ist kein Horizont!

Kreative müssen sich stärker vernetzen und organisieren - und sie müssen ihr Konkurrenzdenken aufgeben. Der 2011 in Hamburg gegründete Verein "Hamburg hoch Elf" ist bundesweit der erste Versuch einer Interessenvertretung, die der Kreativwirtschaft als Plattform für übergeordnete Aufgaben wie Verbands- und Lobbyarbeit, Vernetzung und Verbesserung der Wahrnehmung dient. Ziel ist es, eine Selbstvertretung der Szene aufzubauen, den Zusammenhalt zu stärken, eigene Positionen auszubilden und die Kommunikation auf Länderebene zu vereinfachen.

Leben und leben lassen: Die Kultur- und Kreativschaffenden müssen damit aufhören, sich von Wirtschaftsförderern und der Politik bedroht zu fühlen. Die andere Seite muss wiederum bereit sein, das Primat der Kreativität vor der ökonomischen Rendite zu akzeptieren. Wir müssen wegkommen von der dogmatischen Trennung zwischen Administration, Wirtschaft und Akteuren. Nur zusammen können jene Ideen und Impulse erzeugt werden, die die Kreativwirtschaft vorantreiben.

Kreativwirtschaft ist anders: Für die Kreativwirtschaft als relativ neuem Wirtschaftszweig stehen bislang wenig geeignete Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Deshalb müssen wir zum einen traditionelle Förderprogramme stärker an die Bedürfnisse der Kreativwirtschaft anpassen. Zum anderen gilt es, neuere Finanzierungsmodelle weiter zu entwickeln. Über die stadteigene Kreativ-Gesellschaft haben wir beispielsweise mit nordstarter.org die erste regionale sogenannte Crowdfunding-Plattform (Gruppenfinanzierung) etabliert.

Die Kreativwirtschaft verändert Städte: Ein elementares Problem der Kreativwirtschaft ist es, geeignete und bezahlbare Räume zu finden. Deshalb ist die Immobilienvermittlung ein wichtiges Arbeitsfeld der Kreativ-Gesellschaft. Mit der Schaffung von preiswerten und Atmosphäre stiftenden Flächen zieht es die Kreativen häufig in Stadtteile, die von der Bevölkerungsstruktur her zu den sozial schwierigen zählen. Mit ihrem Zuzug verändern sie das Gesicht dieser Stadtteile.

Die Kreativwirtschaft verändert die Gesellschaft: Kreatives Schaffen lässt sich nicht in herkömmlichen Arbeitszeitmodellen abbilden. Ideen kommen nicht im geregelten Rhythmus zwischen 9 und 17 Uhr. Das heißt, die Frage von Kinderbetreuung, Familienorganisation, sozialer Sicherungssysteme und vieles mehr muss für Kreative andere als herkömmliche Antworten finden.

Darüber reden wir, wenn wir über die Förderung der Kreativwirtschaft sprechen. Die Rolle der Verwaltung, der Wirtschafts- und Kulturförderung kann dabei nie eine dominierende sein: Sie kann und soll nicht die Inhalte vorgeben, aber sie steht in der Pflicht, mit finanziellen Mitteln und Know-how Möglichkeiten zu schaffen, in denen sich Kreativität entfaltet und Räume und Orte zu Frei-Räumen werden.